Frage an Hans-Christian Ströbele von Ingrid W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
wie stehen Sie zum ESM und Fiskalpakt?
Ist Ihnen bekannt, dass das Parlament damit seine Haushaltshoheit aufgibt? Dass diese Verträge unkündbar sind und die ESM-Akteure rechtlich nicht zu belangen sind? Sind Sie mit mir einer Meinung, dass diese Handlungsweisen der Regierung nichts mehr mit Demokratie zu tun haben und unser Grundgesetz völlig mißachtet wird? Das BverfG hat die Rechte des Parlaments gestärkt und was macht das Parlament damit? Es gibt leichtfertig diese Rechte auf!
• Der ESM wird zur europäischen Mega-Institution. Er verfügt über 700 Mrd Euro - mehr als das Fünffache des EU-Haushalts! Aus dem ESM gibt es kein Austrittsrecht.
• Ein internationaler „Gouverneursrat“ kann das Kapital des ESM beliebig erhöhen. Der Bundestag wird zum Abnickergremium degradiert.
• Der ESM gibt Kredite an Staaten, die für private Kapitalgeber zu riskant sind. Die Kredite werden ohne Sicherheiten gegeben. Das birgt unabsehbare Haftungsrisiken für alle Bürgerinnen und Bürger.
• Der ESM hilft nicht den notleidenden Staaten, sondern ihren Gläubigern. Deren Risiken werden auf die Allgemeinheit übertragen. Eine Verlustbeteiligung der Banken ist nicht vorgeschrieben.
• Die Rettungsschirme waren ein Fehlschlag, obwohl sie laufend erhöht wurden. Die Überschuldung der Südländer steigt, ihre Wirtschaftsleistung schrumpft und die Krise breitet sich weiter aus.
• Es gibt keinen Grund, mit dem ESM eine Institution zu schaffen, die diese falsche Politik zum Schaden Deutschlands und seiner Partner dauerhaft fortsetzt.
Nach Art. 20 Abs 2 GG geht: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Wo sind die Abstimmungen? Nur im Bundestag? Die Abgeordneten handeln nicht mehr im Auftrag der WählerInnen, sondern gehorchen scheinbar nur noch den Parteien!
Was ist mit unseren Politikern los?
Sehr geehrte Frau Wilczek.
ESM und Fiskalpakt sehe ich sehr kritisch. Ich habe dazu ein Papier geschrieben, in dem ich zum Schluß komme, beiden Verträgen vermutlich nicht zuzustimmen zu können. Noch liegen die Pakete, über die abgestimmt werden soll, noch nicht vollständig vor. Noch wird verhandelt zwischen der Koalition und Regierung mit der Opposition.
In einigen Punkten teile ich Ihre Argumentation nicht.
Der Deutsche Bundestag wird seine Rechte, insbesondere sein Haushaltsrecht, nicht aufgeben. In dem Gesetz zur Ratifizierung des ESM wird ausdrücklich festgelegt, daß die Bundesregierung zu wesentlichen Entscheidungen im ESM nur mit vorheriger Zustimmung des Parlaments mit JA oder ENTHALTUNG stimmen darf. Im Gouverneursrat und im Direktorium ist die Bundesregierung mit einem Mitglied und 27,1 % des Stimmrechts vertreten, hat also faktisch ein Veto für wichtige Entscheidungen.
Trotzdem bleibt eine Einschränkung des Haushaltsrechts, weil die Leitungsgremien des ESM beschlußfähig sind, wenn zwei Drittel des Stimmrechts vertreten sind. Außerdem sehe ich die Verpflichtungen, die Mitglieder des ESM eingehen, nicht als ausreichend bestimmt und die Regelungen über den Haftungsumfang als unvollständig.
Eine Einschränkung der Hoheitsrechte und Entscheidungsrechte des Deutschen Bundestages sehe ich auch beim Fiskalpakt. Dessen Schuldengrenze geht über die Schuldenbremse im Grundgesetz weit hinaus.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele
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