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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Georg Z. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Georg Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

sind Sie der Meinung daß

1.) die Zustimmung zu ESM und Fiskalvertrag durch unser Grundgesetz nicht gedeckt ist;

2.) nichtrückholbare Entscheidungen ausreichend legitimiert sein müssen;

3.) wir die Grundregeln der Demokratie nicht aufgeben dürfen;

4.) Milliardenbeträge nicht ohne den Bundestag ausgezahlt werden dürfen;

5.) mit ESM- und Fiskalvertrag geheime Gremien legitmiert werden, deren Mitglieder geheim
über ihre eigenen steuerfreien Bezüge entscheiden;

6.) ein solcher Gouverneursrat keiner juristischen Kontrolle unterliegt und lizenzfrei auf
internationalen Finanzmärkten unbegrenzt Handel betreiben darf;

7.) wir wollen, dass die Demokratie die Finanzkrise überlebt und nicht umgekehrt;

8.) wir Europa schützen und demokratisch stützen.

9.) Warum schützen Sie und Ihre Fraktion NICHT die Demokratie in Deutschland?

10.) Jedenfalls können wir Bürger diesbezüglich absolut nichts erkennen?

Mit besorgten Grüssen

Georg Zenker

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Zenker.

Ihre 10 Fragen sind überwiegend Suggestivfragen. Sie nehmen die gewünschten Antworten vorweg.

Ich weiß nicht, ob Sie den ESM-Vertrag und Fiskalpakt sowie die dazu geplanten deutschen Übernahme- und Finanzierungsgesetze gelesen haben. Nach dem, was Sie schreiben, vermute ich, daß dies nicht der Fall ist, weil Sie einzelne Punkte nennen, die so gar nicht in den Texten drinstehen. Deshalb zunächst klarstellend:
Das Budgetrecht bleibt dem Bundestag grundsätzlich weiter erhalten. Der Fiskalpakt muß vom Deutschen Bundestag mit einer Mehrheit von zwei Drittel ratifiziert werden. Das Ausreichen von Krediten und Garantien an und durch den ESM muß durch das deutsche Parlament beschlossen werden. Dies geschieht für die Gesamtsumme in Höhe von 700 Milliarden Euro des ESM mit der Verabschiedung des entsprechendes Gesetzes, in dem die Summen enthalten sind. Jeder konkreten Gewährung von Krediten und Garantien an einzelne Staaten muß der Gouverneursrat zustimmen, in den Deutschland einen Vertreter entsendet, der aber Stimmrecht für 27 % der Anteile hat. Da für jede Kredit- und Garantiegewährung die Zustimmung von 85 % der Anteile notwendig ist, kann der deutsche Gouverneur jede solche Finanzhilfe blockieren. So steht es im ESM-Vertrag. Der deutsche Gouverneur muß ein Minister der deutschen Bundesregierung sein. Auch das steht im ESM-Vertrag. Der deutsche Gouverneur darf Krediten- und Garantien nur zustimmten oder sich der Stimme enthalten, wenn der Bundestag vorher zugestimmt hat. So soll es in dem Übernahmegesetz stehen. Wie weit das Plenum oder der Haushaltsausshuß oder ein 9er-Gremium weiß ich noch nicht.

Eine Aufstockung der Gesamtsumme müßte ohnehin wiederum durch den Bundestag beschlossen werden.

Wie Sie lesen, befasse ich mich mit ESM und Fiskalpakt intensiv und zwar sehr kritisch. Deshalb habe ich fast allen bisherigen Rettungsschirmen wie ESFS oder dem für Griechenland nicht zugestimmt habe. Die Begründungen meines Abstimmungsverhaltens können Sie meinen persönlichen Erklärungen zur Abstimmung entnehmen, die Sie auf meiner homepage finden.

Mit dem Studium der zugegeben sehr schwierigen Texte des ESM-Vertrages und des Fiskalpaktes habe ich schon Tage verbracht. Ich sehe die Probleme weniger in rechtlichen als in politischen Fragen. So ist für mich die auch von Ihnen angesprochene Frage, wem die Finanzhilfen letztlich zugutekommen, der Bevölkerung in den Krisenstaaten oder überwiegend den Banken entscheidend.

Am kommenden Montag findet zu ESM und Fiskalpakt ganztägig eine Anhörung von Experten im Bundestag statt.

Eine abschließende Meinung zu beidem habe ich noch nicht, zumal der der endgültige Text des ESM-Übernahmegesetzes noch gar nicht vorliegt. Daran arbeitet die Regierung und die Koalition noch.

Hier die Antworten auf Ihre 10 Fragen:
1.) Die Zustimmung ist gedeckt, wenn die beiden Verträge nicht gegen das Grundgesetz verstossen. Ob das der Fall ist, muß jeder und jede entscheiden, die zustimmen will. Letztlich wird vermutlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden, da bereits Klagen und Verfassungsbeschwerden angekündigt wurden.
2.)Das ist richtig. Bei beiden Verträgen ist strittig, ob die Entscheidungen rückholbar sind. Allgemeine des Europarechts, könnten Rechtsgrundlage für eine Rückholbarkeit sein.
3.) Auch das stimmt.
4.) Das Haushaltsrecht des Parlaments verlangt, daß der Bundestag zustimmen muß. Das Gesetz zur Übernahme des ESM sieht deshalb vor, daß der deutsche Vertreter im Gouverneursrat (ein Minister aus dem Bundeskabinett) nicht zustimmen oder sich enthalten darf ohne Zustimmung des Bundestages. Wie die Regelung genau aussieht, ist noch strittig.
5.) Gouverneursrat und Direktorium sind nicht geheim, jedenfalls nicht geheimer als die Bundesregierung. Die Mitglieder werden bekannt sein.
6.) Die Mitglieder des Gouverneursrates werden von werden von den jeweiligen Regierungen kontrolliert, die sie entsandt haben. Und die wichtigen Entscheidungen kontrolliert jedenfalls in Deutschland der Deutsche Bundestag, der vorher unterrichtet und zustimmen muß.
7.) Aber sicher, das wollen wir.
8.) Auch dem kann ich nur zustimmen.
9.) Das ist eine unrichtige Unterstellung. Die grüne Fraktion setzt sich für die Beteiligungsrechte des Bundestages und der Europäischen Parlaments ein.
10.)Die Forderungen nach Parlamentsbeteiligungen und die Verhandlungserfolge der grünen Fraktion können den Medien entnehmen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele