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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Olga K. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Olga K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

Ein Auszug aus der Tagesordnung für die 173. Sitzung des Parlaments am Freitag, dem 30. März 2012 (Stand 27. März 2012):
…b) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 93)
> Drucksache 17/… <…

Auch wenn dieser Punkt jetzt wohl als Tagesordnungspunkt ausgesetzt wird, so habe ich eine Frage:

Haben Sie als Abgeordneter vor, dieser Änderung in Zukunft zu zustimmen? Dieser Artikel (insbesondere beziehe ich mich auf 4a) beinhaltet, dass jedermann (also jeder Bürger), der durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt wird, das Recht hat, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen.

Ich werde jetzt nicht genauer auf die diversen obenaufgeführten Artikeln eingehen, denn das ist hier nicht das Thema.
Wird der Absatz 4a des Artikels 93 geändert und zwar dahingehend, dass eben nicht mehr jedermann einfach eine Verfassungsbeschwerde einreichen kann?

Mit freundlichen Grüßen,
Olga Kniffert

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Kniffert.

Die Aufregung im Netz über die geplante Ergänzung des Artikel 93 des Grundgesetzes und die parallele Änderung der Wahlrechtsregeln kann ich nicht nachvollziehen.
Wer ist auf die Idee gekommen und warum, damit solle das Recht angetastet werden, daß jedermann (und doch auch jede Frau) Verfassungsbeschwerde einlegen kann.

An der bisherigen Fassung des Artikel 93 GG wird nichts gestrichen, also insbesondere auch nichts in Art. 93 Ziff. 4 a.

Eingefügt wird lediglich 4 c, daß das Bundesverfassungsgericht entscheidet
"über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag".
Bisher war eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen eine Entscheidung des Bundeswahlausschusses, der die Teilnahme einer nicht im Bundestag vertretenen Partei oder Vereinigung an der Bundestagswahl nicht zuließ, vor der Wahl nicht zulässig.
Das soll jetzt geändert werden. Das ist also als Erweiterung von Beschwerderechten gedacht nicht als Beschränkung.

In der Erläuterung zu der neuen Nummer 4 c heißt es:
"Gegen die Entscheidungen der Landeswahlausschüsse über die Zulassung der Landeslisten der Parteien kann Beschwerde an den Bundeswahlausschuss eingelegt werden (§ 28 Absatz 2 BWG). Kein solcher Rechtsbehelf vor der Wahl besteht dagegen bisher gegen die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses nach § 18 Absatz 4 BWG über die Anerkennung als wahlvorschlagsberechtigte Partei.
Ansonsten können alle Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nach der Wahl im Wahlprüfungsverfahren mit einem Einspruch beim Deutschen Bundestag angefochten werden (§ 49 BWG, § 1 des Wahlprüfungsgesetzes). Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig (§ 48 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes). Dies gilt auch für die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses über die Anerkennung als wahlvorschlagsberechtigte Partei im Rahmen der Verfahrens nach § 18 Absatz 2 bis 4 BWG.
Im Bericht der OSZE/ODIHR-Wahlbewertungsmission vom 14. Dezember 2009 war Deutschland insbesondere empfohlen worden, dass Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Parteien zur Wahl vor der Wahl von einem Rechtsgremium gehört werden können sollten.
Die neue Nummer 4c des Artikels 93 Absatz 1 GG eröffnet Vereinigungen, die infolge der Feststellung des Bundeswahlausschusses nicht als Partei anerkannt wurden, die mit eigenen Wahlvorschlägen an einer Wahl zum Deutschen Bundestag teilnehmen darf, die Möglichkeit, noch vor der Bundestagswahl das Bundesverfassungsgericht zur Klärung ihres Parteienstatus anzurufen."

Mit freundlichem Gruß
Ströbele