Frage an Hans-Christian Ströbele von Harald S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele!
Bezüglich Portugal möchte ich das Thema ohne tiefere Recherche meinerseits nicht weiter vertiefen.
Bezüglich Ungarn ist ja wohl klar, was ich meine: die "Reformen" der Regierung Orban, die aus Ungarn eine Republik nach stalinistischem Muster machen, angefangen bei der Abschaffung der Presse- und Meinungsfreiheit. Das dürfte Ihnen doch nicht entgangen sein.
Eine totalitäre Ideologie auf der Grundlage von Rassenwahn und Chauvinismus nenne ich faschistisch. So eine Politik wird in Ungarn zur Zeit umgesetzt. Selbst der Präsident des EP hat sich ja schon empört. Gerüchteweise habe ich was von einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn gehört. In Weißrussland heißt so eine Regierung hier "Regime", aber in der EU soll sowas ja angeblich unmöglich sein.
Wie ist Ihre Position? Möchten Sie sich da weiter engagieren?
Bezüglich Spanien stelle ich fest, dass die Regierung der PP wieder voll auf der Linie Richtung Restauration des Francismo ist. Als erstes sichtbares Zeichen wurde die gesamte Bevölkerung durch das Innenministerium zum Feind erklärt, den es aus den Straßen zu vertreiben gilt. So werden Schüler, die die Inbetriebnahme der Heizung in ihrer Schule per öffentlicher Demonstration verlangen, zusammengeknüppelt wie in China.
Auch in Sachen Rechte der Regionen soll alles wieder zurückgedreht werden.
Haben Sie zum Thema Spanien eine Meinung?
Allerdings braucht man seit neuerem ja nicht mehr so weit gehen. Im Münster lässt ein Grüner (SIC) als PP die braunen Horden schützen. Die brauchen sich da auch nicht mehr die Finger schmutzig machen, dass erledigen ja Beamte für sie.
Erschüttert Sie das nicht?
Ja, und die Ungleichgewichte: offenbar ist das Geld, das im Süden Europas fehlt, irgendwo ausgegeben worden. Z.B. für Panzer, Uboote, Autobahnen und andere Prestigeprojekte. Auch ist z.B. in Spanien auf ein unendliches Wachstum des Tourismusmarktes und ewig steigende Grundpreise geestzt worden, was bekanntlich nicht funktionieren kann.
…
Sehr geehrter Herr Schweda.
Da scheinen Ihnen die Maßstäbe etwas durcheinandergeraten zu sein.
Ländern wie Spanien und Portugal zu unterstellen, sie seien faschistisch ist doch etwas daneben. Die Bevölkerung dieser Staaten hat unter dem Faschismus Jahrzehnte gelitten. Die Verhältnisse heute mit den damaligen gleichzusetzen ist eine Zumutung. Lassen Sie sich von den Menschen dort erzählen, wie es unter den Diktatoren Salazar oder Franco war, dann werden Sie solches nicht mehr behaupten.
Nicht jedes Land in dem es polizeiliche Übergriffe oder eine falsche Wirtschaftspolitik gibt, ist deshalb schon ein faschistischer Staat.
In beiden Ländern gibt es weitgehende die Pressefreiheit und vielfältige Opposition auch außerparlamentarische auf den Straßen und Plätzen und es gibt eine unabhängige Justiz.
Auch ich sehe viele Entwicklungen sehr kritisch. Etwa daß in Spanien immer wieder Übergriffe der Polizei gegen Demonstranten vorkommen oder daß der Richter, der nicht nur die Verbrechen der Franco-Diktatur, sondern auch den chilenischen Diktator vor Gericht bringen wollte, jetzt selber verurteilt wurde. Aber der öffentliche Protest dagegen in Spanien ist immens, was unter Franco völlig undenkbar gewesen wäre. Und Spanien ist das Land in Europa mit der größten Occupy-Bewegung, auch undenkbar in der Franco-Zeit.
Ihre Kritik an der Wirtschaftspolitik dieses Landes ist berechtigt aber weniger wegen der Förderung des Tourismus als wegen der Milliardenkredite für Häuserbau, die zu geringsten Zinssätzen der Bevölkerung geradezu aufgedrängt wurden, die nun von der hohen Verschuldung nicht mehr runterkommt.
Zu Portugal wollen Sie Argumente ja erst noch zusammenstellen.
Ihre Kritik an der ungarischen Regierung ist berechtigt. In der Tat wird dort die Pressefreiheit dramatisch eingeschränkt und Roma werden aus rassistischen Gründen ausgegrenzt und verfolgt. Braune Milizen treiben ihr Unwesen, aber der Protest im Land und im Ausland scheinen erste Erfolge zu haben, denn die Zustimmung der Bevölkerung zum Präsidenten und seiner Partei sinkt dramatisch, ein Gericht hat Entscheidungen des Medienrates der Regierung aufgehoben und die Regierung scheint zu ersten Rückziehern bereit. Das läßt hoffen. Kritik und Protest aus dem Ausland müssen weitergehen. Wir bemühen uns auch im Europäischen Parlament und im Bundestag.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele