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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Fran K. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Fran K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Abmahn-Ströbele,

ich hätte da mal 4 simple Fragen
1. Wieviel Meinungsfreiheit kann es eigentlich in einem Land geben, bei dem das Delta zwischen

A) Ehepaar Ströbele rennt zur Polizei und Frau Ströbele erstattet Anzeige
und
B) Ehepaar Ströbele rennt zur Polizei und Herr Ströbele erstattet Anzeige

für den heddesheim-Blogger mal eben "Kosten" von 700€ verursachen kann? Mehr, falls er sich "beraten" lässt. Und das muß er in aller Regel, denn die «vorgeschlagenen» Selbstknebelungen sind häufig masslos überzogen. Dies bringt mich zu Frage 2: Würde ich einen Falschparker in meiner Einfahrt mit völlig unverhältnismäßigen Drohungen und Forderungen überziehen, es gäbe wohl bald eine Strafanzeige wegen Nötigung oder Erpressung...

2. Finden Sie es fair, daß wohlweislich ausgebildete Juristen es in aller Regel völlig straffrei z.B. mit vollkommen überzogenen Forderungen es "erstmal probieren dürfen"?

Zumal sich diese "Kosten" in keinster Weise kaufmännisch orientieren: Ein 2-seitiges Dokument, welches oft ganz erheblichen Teilen aus Textbausteinen besteht, verursacht auch bei akademischen Stundensätzen gewiss keine 100€ Kosten. Zumal diese "Strafe" von keinem Richter festgelegt werden noch dem Gemeinwohl zu Gute kommt.

3. Finden Sie die horrenden Streitwerte welche diese "Kosten" begründen fair?
Bei obiger Abweichung von (A) und (B) 3-5 Monatslöhne. Wirklich?

Ordentliche, faire Strafen orientieren sich häufig an der finanziellen Leistungsfähigkeit: Dies muss auch so sein, sonst würden sich mancher VIP einen Teufel um Verkehrsgefährdung scheren, oder die Strafen wären so hoch, daß es Normalbürger ruiniert. Nicht so im deutschen Abmahnunrecht: 700€ oder 1500€ sind Beträge, die die Theo Zwanziger, Jack Wolfskins und Hans-Christian Ströbeles dieser Welt sicherlich locker wegstecken könnnen...

4. KANN es sein, dass Meinungsfreiheit in Deutschland längst ein Privileg für Spitzenverdiener geworden ist? Sei es als Angegriffener oder Angreifer?

mit piratigem Gruss,

Portrait von Hans-Christian Ströbele
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kee.

Soweit ich weiß, hat der Blogger keine Kosten zahlen müssen.

Wenn Sie einen Rechtsanwalt damit beauftragen, gegen einen Falschparker vor Ihrer Einfahrt vorzugehen, wäre dies zunächst der falsche Weg. Ein Abschleppunternehmen wäre vermutlich schneller wirksam. Wenn Sie dann über die Übernahme der Kosten des Abschleppers streiten, könnten Sie unter Umständen einen Rechtsanwalt beauftragen.

Ausgebildete Juristen können in einer Rechtssache einen Anwalt beauftragen, wenn sie selbst nicht über die nötigen Rechtskenntnisse verfügen oder wenn sie wegen anderer Verpflichtungen nicht die notwendige Zeit für die Wahrnehmung ihrer Interessen haben.
Die Kosten des Anwalts schuldet zunächst der, der den Auftrag erteilt. Wenn die Beauftragung des Anwalts notwendig war, kann letztlich die Zahlung der Kosten von dem verlangt werden, der im Rechtsstreit unterliegt. Die Höhe der Kosten im Zivilrechtsstreit richtet sich nach der Gebührenordnung für Anwälte. Der Anwalt schreibt die Rechnung. Im Streitfall entscheidet ein Gericht auch über die Höhe der Gebühren.
Mit Bestrafung und angemessener Höhe einer Strafe hat das alles nichts zu tun.
Im vorliegenden Falle wurde weder über die Höhe des Streitwertes noch der Gebühren und auch nicht über deren Bezahlung gestritten. Der Blogger war anwaltlich beraten und vertreten.

Grundsätzlich haben Sie aber Recht. Ein Spitzenverdiener kann in Deutschland besser zu seinem Recht kommen als sozial Schwache. Das gilt nicht nur für den Bereich der Meinungsfreiheit. Für die, die die Kosten nicht selbst aufbringen können, gibt es zwar Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, aber die muß erst mal mit Nachweis der schlechten finanziellen Verhältnisse beantragt werden und wird nicht immer gewährt. Wir haben uns deshalb immer wieder bemüht, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme juristischen Beistandes durch sozial Schwache zu erleichtern und die Höhe der Streitwerte insbesondere für Abmahnungen zu begrenzen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele