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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Wilfried M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

vor dem Hintergrund der bekannten - z.B. am 13.12.2011 von der ARD- Sendung "Report Mainz" berichteten (vgl. Video unter Link 1) - Leidensgeschichte um Herrn Mollath aus Franken möchte ich von Ihnen in Erfahrung bringen, ob Sie sich eine umfassendere Untersuchung der Sinnhaftigkeit zwangsweiser Behandlung angeblich psychisch kranker Rechtsbrecher vorstellen können.

Stimmt es denn, daß der Maßregelvollzug überhaupt erstmals in Deutschland und unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers eingeführt wurde?

Ist es mit der Freiheit der Arztwahl vereinbar, wenn Patienten im Maßregelvollzug einer - allein aufgrund regionaler Zuständigkeit bestimmten - Klinik mit je ganz konkretem (womöglich wechselndem) Personal zugewiesen werden?

Kann eine solche Zuordnung (ohne Wahlmöglichkeit) Ihrer Überzeugung nach ohne Auswirkung auf den konkret erreichbaren Behandlungserfolg bleiben?

Meinen Sie, daß jeder Psychiater und/ oder jeder Psychotherapeut in solch einer Klinik für jeden infrage kommenden Untergebrachten optimale Behandlungsergebnisse erreichen kann?

Gibt es für Maßregelvollzugsuntergebrachte grundsätzlich Möglichkeiten, sich von einem Arzt ihres Vertrauens (z.B. aus einem anderen Bundesland) untersuchen und ggf. Entlassungs- oder auch alternative Behandlungsvorschläge machen zu lassen?

Falls es diese Möglichkeiten nicht gibt: Wäre es nicht an der Zeit, in Ihrer Fraktion nach Möglichkeiten zu suchen, Gesetzesvorhaben solchen Inhalts auf den Weg zu bringen?

Könnten Sie sich zum Beispiel vorstellen, daß der stationäre Maßregelvollzug künftig abgeschafft und stattdessen jedem Rechtsbrecher eine freiwillige seelenheilkundliche Behandlung in der Justizvollzugsanstalt bzw. von dort aus ermöglicht wird unter Einräumung von echten Wahlmöglichkeiten?

Mit freundlichen Grüßen

Dipl. Med. W. Meißner
Facharzt für Anatomie, Psychiatrie und Psychotherapie
Deutsches Institut für Totalitarismusabwehr

1) http://www.youtube.com/watch?v=XmbNjLF7Jzw

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Meißner.

Das tragische Schicksal des Herrn Mollath ist mir bekannt. Einzelheiten kenne ich aber nicht, nur Presseberichte.
Aber schon danach scheinen die Umstände des Falles und insbesondere die Einweisung mysteriös und skandalös zu sein.
Näher konnte ich mich damit nicht befassen, weil ich mit meinen Aufgaben im Bundestag und im Zusammenhang mit dem Mandat als Abgeordneter so überlastet bin, daß mir ganz einfach die Zeit fehlt. Hinzu kommt, daß es besonders aufwändig wäre, mir von Berlin aus die notwendigen Informationen in Bayern zu beschaffen und Gespräche zu führen. Auch ist der bayerische Landtag wohl mit der Sache befaßt.
Die Probleme des Maßregelvollzugs sind mir aus meiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Rechtsanwalt bekannt. Ich habe immer wieder auch Mandanten aus diesem Vollzug vertreten und bin so manches Mal ziemlich deprimiert von Besuchen in der Klinik zurückgekommen.
Mit anwaltlicher Unterstützung läßt sich dort in Einzelfällen durchaus etwas bewegen. In der Regel kann so für bessere Behandlung und Betreuung gesorgt werden. Auch ist die Möglichkeit gegeben, Mediziner von Außen zuzuziehen. Es ist grundsätzlich eine Frage der Finanzierung. Aber zuweilen sind Richter auch bereit, auf einen begründeten Antrag hin Gutachten und Behandlung durch Fachmediziner überprüfen zu lassen.
Ganz schlecht sind die Patienten dran, die keine anwaltliche oder sonstige fachkundige Hilfe haben.
Und Sie haben auch Recht damit, daß die Unterbringung, Betreuung und Behandlung häufig traurig und dringend überprüfungsbedürftig ist. Aber auch das ist eine Frage der Finanzen, die vom Staat zur Verfügung gestellt werden müssen.
Ähnlich wie bei der Sicherungsverwahrung braucht es offensichtlich erst spektakulären Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht oder des Europäische Gerichtshofes für Menschenrechte, um neue gesellschaftliche Einsichten, Umdenken und grundlegende Verbesserungen zu erreichen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele