Frage an Hans-Christian Ströbele von Marcus H. bezüglich Wirtschaft
Sehr Geehrter Herr Ströbele,
Die Bundesregierung betont seit dem letzten Krisengipfel in der Öffentlichkeit verstärkt die "disziplinierende Wirkung" der Märkte auf die sogenannten Schuldensünder. Union und FDP begründen damit ihre strikte Ablehnung von Euro-Bonds und/oder einer direkten Beteiligung der EZB an den Schulden der Krisenländer. Folgt man dieser Argumentationskette, so führten allein die durch die Finanzmärkte gesteuerten hohen Zinsen auf Staatsanleihen der betroffenen Länder dazu, dass diese Staaten sich nicht weiterhin masslos neu verschulden.
Diese Begründung erscheint mir höchst unlogisch, angesichts der in der Vergangenheit bewiesenen Unfähigkeit der Märkte, bzw. der sie stark Beeinflussenden Rating-Agenturen, die Bonität jedweder Wertpapiere realistisch Einzuschätzen - seien es nun faule Hypothekenpakete aus den USA, oder griechische Staatsanleihen vor 2008.
In dem man die Bonitätsprüfung für ganze Volkswirtschaften den erwiesenermaßen irrationalen globalen Finanzmärkten überlässt, behauptet man ganz einfach, die Verursacher der größten Finanzkrise seit dem letzten Weltkrieg seien als Einzige dazu in der Lage, für Spardisziplin in der Euro-Zone zu sorgen.
Dabei wird den Krisenländern voller nationalistischer Arroganz unterstellt, ihnen fehle schlicht die nötige Weitsicht, um ihre eigenen Schuldenkrisen als solche zu erkennen und nur die Deutsche Bundeskanzlerin halte mit eiserner Disziplin und preußischer Tugendhaftigkeit noch die Fahne der Vernunft in der Hand.
International ist diese Haltung hoch umstritten. Die Deutsche Regierung isoliert sich damit zunehmend von ihren Partnerländern und betreibt eine autistische Fiskalpolitik, der nur deshalb nicht massiver widersprochen wird, weil die deutsche Wirtschaftskraft trotz der Krise immer noch in der Lage ist, den Rest Europas zu dominieren.
Mich würde interessieren wie Sie, und vor allem ihre Bundestagsfraktion, diesen deutschen Alleingang innen- wie außenpolitisch einschätzen.
MfG
Sehr geehrter Herr Huber.
Ein eingehende Befassung und endgültige Beschlußfassung zur Einschätzung des letzten EU-Krisengipfels konnte noch nicht stattfinden, weil der Deutsche Bundestag vor dem letzten Adventswochende zum letzten Mal vor der Weihnachtspause getagt hat und die Fraktionen seither nicht mehr zusammengekommen sind.
Ich selbst teile Ihre Kritik der Finanzmärkte und vor allem der Ratingagenturen weitgehend. Sie haben ihren Anteil an der Finanzkrise und waren nicht in der Lage rechtzeitig die richtigen Einschätzungen der Bonität von Bankgeschäften z.B. für US-Hypotheken), Staatsanleihen und Staaten zuliefern.
Allerdings sehe ich die Banken und Geldinstitute und ihr grenzenloses Gewinnstreben und ihr Bemühen um Profitmaximierung als Auslöser und Hauptverursacher der Krise.
Den Banken immer wieder - zuletzt Ende Dezember - mit Hunderten von Milliarden an EU-Garantien neue billige Kredite zu verschaffen oder den überschuldeten Staaten fast unbegrenzt Garantien für Staatsanleihen zu geben, deren Erlöse wieder nur an die Banken fließen, halte ich nicht für den richtigen Weg aus der Krise.
Stattdessen sind echte Schuldenschnitte und Insolvenzregelungen für Staaten und angeblich systemrelevante Banken erforderlich, um den das Risiko aufbürden zu können, die vor der Krise ihre Profite maximiert haben und weiter Profite machen.
Solche Regelungen hätte in den letzten zwei Jahren geschaffen werden können und müssen.
Weitgehend Recht haben Sie auch mit Ihrer Kritik an der Kanzlerin. Unter dem Einfluß Ihrer Berater aus den Banken versucht Sie immer nur notdürftig auszubessern und Finanzlöcher zu stopfen und das zuletzt auch in der Regel viel zu spät.
So sind die umstrittenen Finanzbeschlüsse des Bundestages vom letzten Sommer gar nicht zur Anwendung gekommen, weil sie kurze Zeit später bereits überholt waren. Der vielgerühmte Schuldenschnitt von 21 % zu Lasten der Privatgläubiger Griechenlands fand deshalb gar nicht statt, wie die Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage von mir eingeräumt hat.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele