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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Franz R. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Franz R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

als langjähriger Wähler der Grünen bin ich über Ihr Verhalten bezüglich eines Artikels im "Heddesheimblog" aufs unangenehmste berührt. Meines Erachtens ist Ihr Verhalten nicht geeignet der Pressefreiheit und der Demokratie zu dienen.

Daher meine konkrete Frage: Wie sieht Pressefreiheit nach Ihren Vorstellungen in 10 Jahren aus?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rübe.

Die Pressefreiheit wird hoffentlich in zehn Jahren noch besser garantiert sein als heute. Ich jedenfalls werde mich wie stets in der Vergangenheit weiter vehement dafür Einsetzen. Übrigens gerade auch für die Pressefreiheit im Internet.
Nachfolgend schicke ich auch Ihnen meine heutige Kommentierung zu den zahlreichen Kommentaren im Internet:
Zum Lachen war mir nach dem Zwillenschuß am See nun wirklich nicht. Daß Schüsse mit den harten Presskugeln ins Gesicht gefährlich sind, dürfte doch nicht mehr streitig sein. Ich habe ja durchaus mit den Jungs geredet, aber sie haben nicht akzeptiert, daß ihr Tun auch dann falsch ist, wenn ein Badeverbot bestand. Wir haben es deshalb für richtig gehalten, daß dem Schützen dies nochmal von einer neutralen Person klargemacht wird. Deshalb sind wir sofort danach – nicht nach 2 Tagen – zum Jugendamt gefahren.

Herr Prothmann hatte mich am Dienstag, 22. November um 15:58 Uhr mit einer Mail an meine Bundestagsadresse kontaktiert. In zwei kurzen Sätzen bat er um Kontaktaufnahme, wenn ich mich zu dem Vorfall äußern wolle. Er teilte allerdings nicht mit, dass und vor allem wann er einen Artikel schreiben will.
Nach seiner Blogseite hat Herr Prothmann seinen ersten Artikel über mich wohl am Dienstag, 22. November um 16:20 Uhr eingestellt.
Ganze 22 Minuten hatte er mir Zeit für eine Reaktion gegeben.

Ich selbst habe die Zuschrift erst am späten Dienstagabend nach der Rückkehr von einer TV-Diskussion bei Phoenix zur Kenntnis erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war der Artikel offensichtlich längst im Netz . Es war eine Sitzungswoche des Bundestages mit sehr ernsten Themen, in der ich von einer Sitzung zur anderen eilte und zwischendurch mehrere Interviews zur rechtsterroristischen Gefahr gegeben habe. Eine rechtzeitige Kontaktaufnahme vor der fraglichen Veröffentlichung war also nicht möglich.

Da ich auch in den nächsten Tagen mit Sitzungen überlastet war, habe ich meinen Anwalt beauftragt, erst mal die weitere Veröffentlichung zu stoppen, weil sie zum Teil unrichtig war und meine Privatsphäre und die meiner Ehefrau verletzte. Warum muss die Öffentlichkeit mit diesem meine Ehefrau betreffenden und belastenden Geschehen befasst werden? Nur weil sie mit mir verheiratet ist? Ich finde nicht.

Gegen missbräuchliche Abmahnungen habe ich mich selbst mehrfach - auch öffentlich – gewandt und im Bundestag dafür eingesetzt, diese zu stoppen. Das werde ich auch weiter tun. Aber das betrifft Nutzer des Internets, die wegen Herunterladens von urheberrechtlich geschützten Werken mit oft viel zu hohen Anwaltsgebühren konfrontiert wurden.
Davon sind jedoch deutlich zu unterscheiden rechtliche Auseinandersetzungen von Privatpersonen mit Medien etwa zur Abwehr von Persönlichkeitsverletzungen, auch solche zur Wahrung der Privatsphäre. Ein bloßes Aufforderungsschreiben wie hier ist verglichen mit der sofortigen Einschaltung eines Gerichts dann der kostengünstigste Weg.
Mir ging und geht es hier nicht darum, Herrn Prothmann mit Kosten zu belasten. Das werde ich auch nicht tun.

Niemand muss mich davon überzeugen, welch hohes Gut die Pressefreiheit ist. Sie ist für die Demokratie unverzichtbar. Seit Jahrzehnten habe ich mich deshalb im und außerhalb des Bundestages für die Presse- und Medienfreiheit die „vierte Gewalt“ - engagiert. Dazu gehört auch das Internet. Zuletzt habe ich dies im Zusammenhang mit wikileaks auch eingefordert.

Aber Medien auch im Internet sind kein rechts- und schutzfreier Raum. Das kann niemand wollen. Es gibt Bürgerrechte auf Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre. Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, ihr Privatleben nicht aktiv medial darstellen und deren eigenes privates Tun auch kein besonderes öffentliches Interesse begründet, müssen nicht hinnehmen, dass ihr Privatleben gegen ihren Willen öffentlich verhandelt wird. Auch dafür habe ich mich immer wieder eingesetzt.

So müssen etwa Opfer von Verkehrsunfällen nicht hinnehmen, dass ihr Foto in die Presse kommt, oder Beschuldigte einer Straftat, dass sie vor einer gerichtlichen Verurteilung als Täter bezeichnet werden. Im Einzelfall mag die Abgrenzung, wann und zu wem die öffentliche Befassung zulässig ist, schwer zu entscheiden sein. Ich selbst habe als Politiker, der in der Öffentlichkeit steht, schon viel ertragen an Medienberichterstattung, die nicht nur kritisch, sondern zuweilen auch böse und diffamierend war. Manchmal habe ich mich dagegen rechtlich gewehrt, manchmal nicht.

Aber meine Ehefrau hat doch eigene Bürgerrechte. Das unerfreuliche schmerzhafte Erlebnis des Schusses mit der Zwille auf sie, noch dass sie Anzeige erstattet hat oder dass sie mit mir verheiratet ist, rechtfertigt die nicht gewollte öffentliche Berichterstattung über unsere Privatsphäre.
Inzwischen wird alles öffentlich breitgetreten. Ich bedauere das sehr.
Ich bin gern bereit, über die Freiheit der Medien auch im Internet zu diskutieren.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele