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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael A. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Michael A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

der Artikel 5 des Grundgesetzes lautet: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Wie kommt es dann, daß Sie über Ihren Anwalt den "Heddesheimer Blog" einstellen lassen, der über einen Badeunfall, in den Ihre Frau & Sie verwicklet waren, berichtet?

Was bedeutet Ihnen in diesem Sinne der Artikel 5? Wollen Sie etwas die öffentliche Berichterstattung & Meinungsbildung aktiv beschneiden?

Ich hoffe, daß Sie dies nicht beabsichtigen, da man sich sonst fragen muß, in welchem Verhältnis Sie der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland stehen. Die Väter des Grundgesetztes, zu denen auch eins meiner Familienmitglieder gehört, haben sich schon etwas dabei gedacht, genau diese Formulierung zu wählen. Ihre Ehre wird sicherlich nicht durch die (faktisch richtige, aber evtl. unbequeme) Berichterstattung geschmälert. Aber Ihr Ansehen als freiheitlich denkender Mensch und Abgeordneter.

Ich bitte höflichst, der Meinungs- und Pressefreiheit nicht im Wege zu stehen.

Mit freundlichen Grüßen,

Michael Adenauer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Adenauer.

Artikel 5 des Grundgesetzes ist mir bekannt.
Die Meinungs-und Pressefreiheit habe ich stets engagiert verteidigt und wird es weiter tun. Aber Ihr Verwandter hat auch das Persönlichkeitsrecht für jeden im Grundgesetz im Artikel 2 verankert und in Artikel 5 Absatz 2 geschrieben, daß die Meinungs und Pressefreiheit Schranken hat.
Jeder Bürger kann den Schutz der Privatsphäre für sich in Anspruch nehmen, auch wenn er Bundestagsabgeordneter ist. Dies gilt im angesprochenen Fall vor allem auch für meine Ehefrau.

Meine öffentliche Erklärung dazu füge ich an:
Niemand muss mich davon überzeugen, welch hohes Gut die Pressefreiheit ist. Sie ist für die Demokratie unverzichtbar. Seit Jahrzehnten habe ich mich deshalb im und außerhalb des Bundestages für die Presse- und Medienfreiheit die „vierte Gewalt“ - engagiert. Dazu gehört auch das Internet. Zuletzt habe ich dies im Zusammenhang mit wikileaks auch eingefordert.

Aber Medien auch im Internet sind kein rechts- und schutzfreier Raum. Das kann niemand wollen. Es gibt Bürgerrechte auf Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre. Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, ihr Privatleben nicht aktiv medial darstellen und deren eigenes privates Tun auch kein besonderes öffentliches Interesse begründet, müssen nicht hinnehmen, dass ihr Privatleben gegen ihren Willen öffentlich verhandelt wird. Auch dafür habe ich mich immer wieder eingesetzt.

So müssen etwa Opfer von Verkehrsunfällen nicht hinnehmen, dass ihr Foto in die Presse kommt, oder Beschuldigte einer Straftat, dass sie vor einer gerichtlichen Verurteilung als Täter bezeichnet werden. Im Einzelfall mag die Abgrenzung, wann und zu wem die öffentliche Befassung zulässig ist, schwer zu entscheiden sein. Ich selbst habe als Politiker, der in der Öffentlichkeit steht, schon viel ertragen an Medienberichterstattung, die nicht nur kritisch, sondern zuweilen auch böse und diffamierend war. Manchmal habe ich mich dagegen rechtlich gewehrt, manchmal nicht.

Aber meine Ehefrau hat doch eigene Bürgerrechte. Das unerfreuliche schmerzhafte Erlebnis des Schusses mit der Zwille auf sie, noch dass sie Anzeige erstattet hat oder dass sie mit mir verheiratet ist, rechtfertigt die nicht gewollte öffentliche Berichterstattung über unsere Privatsphäre.
Inzwischen wird alles öffentlich breitgetreten. Ich bedauere das sehr.
Ich bin gern bereit, über die Freiheit der Medien auch mit Ihnen zu diskutieren.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele