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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Maxi Lou G. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Maxi Lou G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Ströbele,

ich beschäftige mich im Moment mit dem Verfassungsschutz bzw. mit der Forderung nach seiner Abschaffung. Ich habe gelesen, dass Sie dieser Forderung lobenswerterweise noch immer zustimmen. Könnten Sie mir ihre Sicht erläutern, warum er abgeschafft und nicht nur reformiert werden sollte? Unten finden Sie eine Liste von Reformvorschlägen, die ich gehört habe.

MfG
ML Geßner

"die Rückführung des Verfassungsschutzes auf den Boden des Grundgesetzes, also:
- die strikte Beschränkung der Beobachtungs- und Überwachungskompetenzen auf solche Bestrebungen, denen die Propagierung von Gewalt- und Willkürherrschaft und der Abschaffung der rechtsstaatlichen Ordnung nachgewiesen ist, und nicht allen, die sozioökonomische Umgestaltungen der Ordnung im Rahmen von Rechtsstaatlichkeit und fdGo diskutieren und/oder anstreben,
- das Unterstellen aller Überwachungskompetenzen, also auch des Einsatzes von V-Leuten, unter richterliche Anordnung, sofern nicht Spionageabwehr, Geheim- und Sabotageschutz gegen eine „fremde Macht“ betroffen sind,
- sofortige Einstellung lediglich verdachtsbegründer Beobachtung und/oder Überwachung,
- regelmäßige Überprüfung der angegebenen „tatsächlichen Anhaltspunkte“ für Beobachtungsbegründungen durch unabhängige richterliche Stellen,
- sofortige Einstellung der Beobachtung von Pressemitgliedern,
- die ministeriale Trennung von polizei- und nachrichtendienstlicher Verantwortung, also: die Verlagerung der Fachaufsichten über die VS-Behörden von den Innen- zu den Justizministerien"

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Geßner.

Sie haben insoweit Recht, daß ich die Tätigkeit des Verfassungsschutzes weiter kritisch sehe.
Dies betrifft vor allem den Einsatz geheimdienstlicher Mittel wie zum Beispiel die heimliche Überwachung von Telephonkommunikation oder die heimliche Observation.
Auch ist die Befassung mit Gruppen wie der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) als Relikt des Kalten Krieges oder mit der Partei Die Linke abzulehnen.

Eine Reform mit dem Ziel - wie von Ihnen vorgeschlagen - sich nur noch mit Bestrebungen zu befassen, die Gewalt und Willkür predigen, würde mir nicht genügen. Wenn es um die Begehung von Straftaten, gar um Gewaltdelikte geht, ist ohnehin die Polizei zuständig.

Ich setze mich ein für eine Evaluierung auch der Tätigkeit des Geheimdienstes Verfassungsschutz, um zu klären, was dieser in den letzten Jahrzehnten in den verschiedenen Bereichen gebracht hat, an Schaden und Nutzen. Dazu gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Es fehlt aber eine systematische Faktensammlung und Aufarbeitung. Auf einer solchen Grundlage könnte dann diskutiert und entschieden werden, was in einer offenen demokratischen Gesellschaft noch an Geheimdienst unerläßlich notwendig ist. Vielleicht reicht eine Informationssammel- und Aufarbeitungstelle, die aus allgemein zugänglichen Quellen ganz ohne geheimdienstliche Mittel Informationen zusammenträgt und der Politik, der Wissenschaft und den Medien zur Verfügung stellt. Auch heute schon beziehen die Inlandsnachrichtendienste den ganz überwiegenden Teil (bis zu über 80 %) ihrer Informationen und Erkenntnisse aus solchen "normalen" offenen Quellen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele