Frage an Hans-Christian Ströbele von Stefan L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
wann nutzen Sie ihr Mandat, um ein Ende der illegalen NATO-Bombenangriffe in Libyen zu fordern?
Der ursprüngliche NATO-Auftrag, die Zivilbevölkerung in Libyen vor Angriffen der Gaddafi-Luftwaffe zu schützen, ist angesichts der wachsenden Dauer des NATO-Bombenkrieges und der steigenden zivilen Opferzahlen völlig absurd und zynisch.
Großbritannien, Frankreich, Italien und andere NATO-Staaten bombardieren seit Monaten Tag für Tag die Millionenstadt Tripolis und andere Orte in Libyen, wie Sirte und Bani Walid.
Der Al-Qaida-Offizier Abdel Hakim Belhadj, der in Afghanistan und Pakistan gelernt hat, US- und Bundeswehr-Soldatinnen und Soldaten zu töten, ist Militärkommandeur der Rebellenführung NTC in Tripolis.
Im NATO-hörigen deutschen Fernsehen gibt es keine Bilder der NATO-Luftangriffe in Libyen. So fragt auch kein Zuschauer nach zivilen Opfern. Aber die Zahlen sind bekannt: Vom 1. bis 8. Oktober flog die NATO 802 Einsätze mir 265 Luftangriffen. In der Mehrzahl auf Bani Walid und Sirte, jene Städte, die erbitterten Widerstand gegen die Al-Qaida-Truppen des NTC leisten.
Was unternehmen Sie persönlich dagegen, dass Soldaten der Bundeswehr an diesen Kriegsverbrechen beteiligt sind, weil sie in die Feuerleitstellen der NATO abkommandiert werden?
Im fragwürdigen Bundeswehreinsatz in Afghanistan bekämpfen deutsche Soldaten an der Seite der USA angeblich die Al-Qaida, deren militärische Führer werden durch US-Drohnen gezielt getötet und in Libyen gibt die NATO den Truppen eines Al-Qaida-Kommandeurs Feuerschutz?
Bitte setzen Sie sich für die sofortige Einstellung der NATO-Angriffe gegen Libyen ein.
Mit freundlichem Gruß
S. Lummer
Sehr geehrter Herr Lummer.
Bisher war mir nicht bekannt, daß Belhadje El-Qaida Offizier war, der in Afghanistan und Pakistan gegen US-Soldaten gekämpft haben soll.
Gegen die NATO-Bombardements in Libyen habe ich immer wieder Position bezogen. Das war in einem Artikel in der taz nachzulesen.
Ich teile auch Ihre Meinung, daß die Luftangriffe der NATO-Flugzeuge und Raketen von Anfang an gegen die UN-Resolution 1973 verstoßen haben. Darin steht nämlich, daß ein Waffenstillstand erreicht werden soll. Das ist nicht einmal ernsthaft versucht worden, bevor die ersten Bombenflugzeuge starteten. Die Tinte unter der UN-Resolution war noch nicht trocken, da machten die Flugzeuge sich auf den Weg zum Bombardieren. Von der Befugnis Krieg zu führen, steht übrigens nichts in dem Beschluß. Maßnahmen mit Gewaltanwendung nach Kapitel VII der UN-Charta sind nach der Resolution nur zur Sicherung der Flugverbotszone und zum Schutz der Bevölkerung erlaubt. Statt die Bevölkerung zu schützen, hat die NATO aber inzwischen fast 20 000 Angriffe geflogen oder mit Raketen durchgeführt. Die NATO hat faktisch die Luftwaffe und Marine der Rebellen gestellt. Niemand fragt danach, wie viele Menschen Opfer diese Dauerbombardements zum Beispiel von Tripolis über Monate geworden sind. Schätzungen gingen schon vor Monaten dahin, daß es mehrere Zehntausend sind. Nur wenn mal versehentlich Fahrzeuge der Rebellen bombardiert wurden, stand das in der Zeitung.
Sie fragen danach, was ich getan habe.
Ich habe versucht aufzuklären, ob und in welcher Weise Soldaten der Bundeswehr in Stäben und Gefechtsstäben der NATO an den Bombardements beteiligt waren. Nach konkreten Vorhalten hat die Bundesregierung eingeräumt, daß 11 Soldaten der Bundeswehrund im neu eingerichteten Gefechtsstand der NATO in Italien beteiligt sind u.a. bei er Zielauswahl für die Bomben. Auf Nachhaken mit weiteren konkreten Vorhalten hat sie erklärt, es seien inzwischen 100 Soldaten in Stäben. In den Medien wurde darüber berichtet.
Ich hatte Klage beim Bundesverfassungsgericht wegen der Verfassungswidrigkeit der Einsätze angekündigt, weil der Bundestag diesen nicht zugestimmt hatte.
Leider konnte ich die Klage nicht einreichen, weil ich allein nicht klagebefugt bin, sondern nur eine Fraktion. Die grüne Fraktion hat meinen Antrag zu klagen abgelehnt.
Möglichkeiten, noch stattfindende Bombardierungen zu stoppen, sehe ich nicht. Das u.a. deshalb, weil nach den militärischen Erfolgen der Rebellen mit Hilfe der NATO die NATO-Angriffe inzwischen trotz allem ganz überwiegend positiv beurteilt werden nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Öffentlichkeit.
Der Frage, welche Rolle Halkim Belhadje vorher in Afghanistan und Pakistan sowie später in Libyen gespielt hat, werde ich nachgehen.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele