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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Olaf S. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Olaf S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Ströbele

Sie haben als einziger grüner Abgeordneter der Erweiterung des Euro-Rettungsschirms nicht zugestimmt.
Was waren ihre Beweggründe für diese Entscheidung?

Portrait von Hans-Christian Ströbele
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schardt.

Die Gründe für mein NEIN bei der Abstimmung über die Erweiterung des EU-Rettungsschirmes habe ich in einer Erklärung zu Protokoll gegeben. Sie lautet:

"Auch ich will der griechischen Bevölkerung helfen , aus der Krise zu kommen, Auch ich bin deshalb grundsätzlich für die Verstärkung des Rettungsschirmes durch weitere Milliarden. Lieber wäre mir ein drastische Schuldenschnitt oder eine geregelte Insolvenz, die so gesteuert werden könnte, daß der sozial und einkommensmäßig schwächere Teil der Bevölkerung Griechenlands nicht die Hauptlast trägt. Aber dafür fehlen noch die Regeln im EU-Währungsraum. Eine solche Regelung für eine Staatsinsolvenz muß dringend geschaffen werden. Aber solange es sie nicht gibt, bleibt nur die Hoffnung auf die Wirksamkeit des Rettungsschirmes, wenn die Hoffnung auch sehr trügerisch ist und mit weiteren finanziellen Nachschüssen in Milliardenhöhe gerechnet werden muß.
Der jetzt eingeschlagene Weg birgt Risiken für für das europäische Währungssystem, die schon jetzt kaum noch zu verantworten sind.

Der wesentlich Grund für meine Nichtzustimmung ist die mangelhafte parlamentarische Kontrolle, die das Gesetz vorsieht. Zwar sieht es vor, daß die Bundesregierung einem EU-Beschluß, der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berührt, nur zustimmen darf, wenn der Bundestag vorher zustimmt. Und diese haushaltspolitische Gesamtverantwortung ist berührt, bei Abschluß einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme, wesentliche Änderung einer solcher, Änderungen des Rahmenvertrages und bei der Überführung in den ESM.

Aber bei besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit werden die Rechte des Bundestages von 9 Mitgliedern wahrgenommen. Ich fürchte, damit bleibt für den Regelfall der Bundestag Außen vor. Denn eilbedürftig sind Notmaßnahmen stets, jedenfalls wird die Bundesregierung sich darauf berufen. Und gerade mit der Annahme von Vertraulichkeit durch diese Bundesregierung habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn ich mit Parlamentarischen Anfragen in den vergangenen Jahren erfahren wollte, zu welchen Bedingungen Kredite, Bürgschaften oder Garantien in Milliardenhöhe für notleidende Banken gegeben wurden und Boni in welcher Höhe Manager erhielten, berief sich die Bundesregierung auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und verweigerte die Antwort. Ich fürchte, so wird sie in Zukunft begründen, warum der Bundestag nicht beteiligt werden kann. Nach dem Gesetz ist es allein die Bundesregierung, die „Eilbedürftigkeit“ oder „Vertraulichkeit“ geltend machen kann. Das 9er-Gremium kann zwar widersprechen, aber nur mit Mehrheit, also nur wenn die Koalition, die die Regierung trägt mitmacht.

Wenn es um vorsorgliche Notmaßnahmen geht oder um Kredite zur Rekapitalisierung von Banken oder Ankauf von Staatsanleihen, sind diese regelmäßig eilbedürftig oder vertraulich. Ausgenommen sind nur Änderungen des Rahmenvertrages, Überführung in ESM oder der erstmalige Antrag eines Mitgliedstaates.

Wenn es um weniger wichtige Entscheidungen geht, muß der Haushaltsausschuß zustimmen. Aber auch dessen Zustimmung kann in Eilfällen und Vertraulichkeit das 9er-Gremium diese ersetzen.

Damit wird das Haushaltsrecht des Parlaments weitgehend abgeschafft und auf ein Rumpfparlament übertragen und zwar für Beträge in jeder Höhe, selbst wenn diese größer sind als der gesamte Bundeshaushalt eines Jahres.
Das will ich mir als Bundestagsabgeordneter nicht gefallen lassen.

Schlimmer noch, mein Recht auf Information und Unterrichtung darüber, was mit dem Geld der Steuerzahler geschieht, kann in den Fällen besonderer Vertraulichkeit beschränkt werden, solange die Gründe der Vertraulichkeit bestehen. Das kann Jahre dauern. So etwas geht überhaupt nicht. Wie soll ich dann mein Kontrollrecht wahrnehmen? Es ist doch das Geld der

Bürgerinnen und Bürger, um das ich mich sorgen soll. Wie soll das gehen, wenn ich nichts erfahre. Es gäbe die Möglichkeit alle Abgeordneten vertraulich wenigstens zu unterrichten. Ich will nicht, daß ich und 98 Prozent der Abgeordneten unwissend gehalten werden können und Außen vor bleiben, wenn für den Gesamtstaat existenzielle Entscheidungen getroffen werden.

Die Finanzmärkte sind nicht das Maß aller Dinge. Nach ihnen darf sich nicht richten,, was die Vertreter des ganzen Volkes wissen und entscheiden dürfen.
Dagegen stimme ich".

Mit freundlichem Gruß
Ströbele