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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Manfred F. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Manfred F. bezüglich Jugend

Warum haben Sie bei der Rede des Papstes den Saal verlassen?

Ich kann nur hoffen ,Sie haben sich die Rede in aller Ruhe im stillen Kämmerlein angehört und
haben festgestellt,auch ich kann noch viel davon gebrauchen.
Schaden würde es Ihnen nicht.

Aufstehen und gehen kann jeder. Was hätte ich auch von Ihnen sonst erwarten können?

Grüße aus Leverkusen

Manfred Fischer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Fischer.

Das habe ich nun schon viele hundert Mal erklärt, warum ich kurz nach Beginn der Papstrede im Deutschen Bundestag rausgegangen bin. Aber ich fasse gern nochmal die wichtigsten Gründe zusammen:
Der Papst wurde vom Bundestagspräsidenten als "Heiliger Vater" begrüßt und nicht als Staatsoberhaupt. Damit war widerlegt, daß die Einladung zur Rede im Parlament dem Staatsoberhaupt des Zwergstaates Vatikan gegolten haben soll. Mit "Heiliger Vater" wird gemeinhin ein Staatsoberhaupt nicht angesprochen.
Dann hat der Papst selbst zu Beginn seiner Rede gesagt, er sei "eingeladen als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt". Wir würden damit die Rolle anerkennen, "die dem Heiligen Stuhl zukommt". Da bin ich leise aufgestanden und rausgegangen.
Die Rolle des "Heiligen Stuhles" wollte ich nun wirklich nicht anerkennen.

Außerdem war die Situation ziemlich verrückt.
Fast alle Abgeordneten haben den Heiligen Vater nach dem Betreten des Saales minutenlang beklatscht und gefeiert. Das taten selbst die, denen die katholische Kirche und der Heilige Vater als deren Oberhaupt vorwirft, in Sünde zu leben: weil sie sich scheiden ließen und wieder heirateten wie etwa der Bundespräsident, oder weil sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben wie der Außenminister und der Regierende Bürgermeister.
Da wollte ich nicht mitmachen.

Es ging nicht darum, dass der Papst eine Rede an die Abgeordneten im Parlament halten sollte, gar als Oberhaupt des Vatikan-Staats, wie behauptet wurde. Denn der Papst hätte seine philosophische Rede ebenso gut in einer Universität halten können (wie 2006 an der Uni Regensburg bei seinem 1. Deutschland-Besuch)oder anderswo. Ich habe sie inzwischen gelesen und kann nur betonen, wegen des Inhalts der Rede bin ich nicht gegangen.

Aber tatsächlich ging es doch darum, ihn als Heiligen Vater besonders zu ehren durch den Auftritt im Deutschen Bundestag und durch Ovationen der Volksvertreter.

Das lehnte ich ab. Nicht nur weil ich die Trennung von Kirche und Staat für eine Errungenschaft halte, die nicht in Frage gestellt werden sollte.

Ich wollte bei der Ehrung dieses Heiligen Vaters nicht dabei sein.
Ich kann und will nicht darüber hinwegsehen, dass er Familienplanung ablehnt und damit zu unverantwortlichem Anwachsen der Bevölkerung etwa in Afrika beiträgt; dass er gegen die Nutzung von Kondomen ist und damit Menschen der Übertragung von Aids und anderen Krankheiten aussetzt; dass er Exorzismus und Teufelsaustreibung befürwortet und damit meist Frauen großes Leid antun lässt, und dass er katholische Holocaust-Leugner in der katholischen Kirche rehabilitiert hat.

Vor allem kritisiere ich diesen Heiligen Vater Papst, weil er zwar gern über die Hilfe für die Armen auf der Welt predigt, aber die Theologie der Befreiung in Lateinamerika geschwächt und bekämpft hat. Er ist Bischöfen und Priestern der Kirche, die sich vor Ort häufig unter Einsatz ihres Lebens konkret für die Armen eingesetzt haben, in den Rücken gefallen ist, hat sie absetzen und versetzen lassen.

Und er hat sich bei seinem Besuch in Lateinamerika im Mai 2007 leider nicht für Völkermord und Verbrechen entschuldigt, die einst bei der Eroberung und Christianisierung des Kontinents im Namen und unter Mitwirkung der katholischen Kirche an der indigenen Bevölkerung begangen wurden. . Das hatten viele Menschen dort gehofft, – Stattdessen stellte dieser Heilige Vater sogar die ungeheuerliche Behauptung auf, die indigene Bevölkerung dieses Kontinents habe seinerzeit den katholischen Glauben freudig „herbeigesehnt“.
Nein, diesem Heiligen Vater wollte ich keine besondere Ehre erweisen.

Auch zu Beginn der Reden des damaligen russischen Präsidenten Putin und des US- PräsidentenBush im Deutschen Bundestag bin ich aus politischen Gründen rausgegangen. Auch sie hatten solche Ehrung wirklich nicht verdient.

Ich möchte, dass der Deutsche Bundestag nur solchen Persönlichkeiten besondere Ehren bezeugt, die wegen ihres persönlichen Einsatzes und Wirkens dessen würdig erscheinen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele