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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Rolf S. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Rolf S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ströbele,

in den Nachrichten unter anderem auf http://www.focus.de/politik/schlagzeilen/nid_82983.html war zu erfahren, dass Sie den Bundestag zu Beginn der Papst-Rede verlassen haben, da zu laut oder zu lang geklatscht wurde.

Etwas daran beschäftigt mich... haben Sie und andere teilnehmende Abgeordnete an jenem Tag ein Sitzungsgeld für das erscheinen im Bundestag erhalten? Falls ja, wird ihnen das Sitzungsgeld auch dann ausbezahlt, wenn sie gleich zu Anfang den Saal wieder verlassen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schneider.

Bundestagsabgeordnete erhalten kein "Sitzungsgeld" für die Teilnahme an Plenarsitzungen. Es gibt auch keine Anwesenheitspflicht im Plenum. Es werden allerdings 50,- Euro von den Diäten abgezogen, wenn Abgeordnete sich an einem Sitzungstag nicht in eine der Anwesenheitsliste eintragen, die an zahlreichen Stellen in der Gebäuden des Bundestages und des Reichtages ausliegen.
Die Veranstaltung, auf der der Heilige Vater im Reichstag empfangen wurde und eine Rede hielt, war übrigens keine ordentliche Sitzung des Deutschen Bundestages, was sich schon daraus ergibt, daß die amtierende Parlamentspräsidentin am Mittag dieses Tages, den Bundestag vertagte und für den nächsten Tag neun Uhr morgens einberufen hatte. Die Rede hielt der Heilige Vater nachmittags nach 16.00 Uhr in sitzungsfreier Zeit. Bei der Rede waren auch zahlreiche Personen anwesend, die nicht Mitglieder des Deutschen Bundestages und zu ordentlichen Sitzungen nicht zugelassen sind.
Abzüge von den Diäten haben Abgeordnete, die während der Rede ganz oder zum Teil nicht anwesend waren, nicht zu befürchten.

Ich habe den Saal übrigens nicht verlassen, weil es zu laut war.

Aber der Papst wurde vom Bundestagspräsidenten als "Heiliger Vater" begrüßt und nicht als Staatsoberhaupt. Damit war widerlegt, daß die Einladung zur Rede im Parlament dem Staatsoberhaupt des Zwergstaates Vatikan gegolten hat. Mit "Heiliger Vater" wird gemeinhin ein Staatsoberhaupt nicht angesprochen.
Dann hat der Papst selbst zu Beginn seiner Rede gesagt, er sei "eingeladen als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt". Wir würden damit die Rolle anerkennen, "die dem Heiligen Stuhl zukommt". Da bin ich leise aufgestanden und rausgegangen. Die Rolle des "Heiligen Stuhles" wollte ich nun wirklich nicht anerkennen.
Außerdem war die Situation ziemlich verrückt.
Fast alle Abgeordneten haben den Heiligen Vater minutenlang beklatscht und gefeiert. Das taten selbst die, denen die katholische Kirche und der Heilige Vater als deren Oberhaupt vorwirft, in Sünde zu leben: weil sie sich scheiden ließen und wieder heirateten (wie etwa der Bundespräsident und wohl auch die Kanzlerin), oder weil sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben (wie der Außenminister, der Regierende Bürgermeister, parlamentarische Geschäftsführer und nicht wenige Abgeordnete).
Da wollte ich nicht mitmachen.

Es ging also nicht darum, dass der Papst eine Rede an die Abgeordneten im Parlament halten sollte, gar als Oberhaupt des Vatikan-Staats, wie behauptet wurde. Denn der Papst hätte seine philosophische Rede ebenso gut in einer Universität halten können (wie 2006 an der Uni Regensburg bei seinem 1. Deutschland-Besuch)oder anderswo .

Nein, tatsächlich ging es bei dem gestrigen Empfang im deutschen Parlament darum, ihn als Heiligen Vater besonders zu ehren durch den Auftritt im Deutschen Bundestag und durch Ovationen der Volksvertreter.

Das lehnte ich ab. Nicht nur weil ich die Trennung von Kirche und Staat für eine Errungenschaft halte, die nicht in Frage gestellt werden sollte.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele