Frage an Hans-Christian Ströbele von Klaus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
Sie haben bei der Papst Rede demonstrativ nach wenigen Augenblicken den Plenarsaal des Bundestages verlassen. Dazu habe ich 3 Fragen an Sie:
1. Ist es falsch die Meinung eines andersdenkenden anzuhören auch wenn man nicht die Möglichkeit hat sich selbst zu äußern?
2. Da Sie vom Papst eine Entschuldigung für etliche Verbrechen der katholischen Kirche in den letzten Jahrhunderten fordern meine Frage an Sie: Stehen Sie für sämtliche Verbrechen/Vergehen ein die die Mitglieder der Partei der Sie angehören begehen bzw. verlangen Sie dies von den Führungskräften der Partei der Sie angehören? Der Papst mag unfehlbar sein, seine Kirche und die Individuen in ihr sind es nicht.
3. Sehen Sie Ihr Handeln als Vorbild für den Diskurs mit andersdenkenden Gruppierungen?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Bruhn
Sehr geehrter Herr Bruhn.
Selbstverständlich ist es nicht falsch, die Meinung anderer anzuhören. Das gilt auch für die Meinung des Heiligen Vaters und sogar dann, wenn ich keine Möglichkeit habe, mich direkt dazu zu äußern wie gestern im Deutschen Bundestag. Nur ging es beim Auftritt des Heiligen Vaters gar nicht um dessen Meinung, sondern darum ihm die Ehre, vor den Vertretern der deutschen Bevölkerung zu sprechen, zu Teil werden zu lassen und ihn zu feiern. Das wollte ich nicht mitmachen.
Genauso selbstverständlich wie ich vom Heiligen Vater erwarte, daß er zur Fehlern seiner Kirche steht und gegebenenfalls dafür entschuldigt, stelle ich diesen Anspruch auch an mich bezüglich Fehler, die die Grünen gemacht haben, trotz aller Unterschiede zwischen einer Partei und einer Glaubensgemeinschaft oder Kirche. Außerdem bin ich ja nicht de Pappst der Grünen oder auch nur irgendein Chef. Aber irgendwie trage ich Mitverantwortung.
Mein Handeln halte ich weiter für richtig. Gegen die demonstrativen Ehrbezeugung bedurfte es eines demonstrativen Protestes.
Im Übrigen entnehmen Sie bitte die Gründe meines Verlassens des Plenarsaales meiner nachfolgenden Erklärung von heute:
Selbstverständlich habe ich den Plenarsaal während der Rede des Heiligen Vaters nicht verlassen wegen dessen Kleidung. Das habe ich auch nie der Presse gesagt. Ich habe mein Verhalten von der Gesamtsituation abhängig gemacht. So habe ich es auch immer gesagt. Die Situation aber war verrückt. Da wurde der Heilige Vater fast vom ganzen Haus minutenlang beklatscht und gefeiert - auch von denen, denen die katholische Kirche und er als ihr Oberhaupt vorwirft, daß sie in Sünde legen, weil sie sich haben scheiden lassen und wieder geheiratet haben wie etwa der Bundespräsident und wohl auch die Kanzlerin oder weil sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben wie der Außenminister, der Regierende Bürgermeister, parlamentarische Geschäftsführer und nicht wenige Abgeordnete. Da wollte ich nicht mitmachen.
Es ging doch nicht darum, daß der Heilige Vater eine Parlamentsrede hält. Die Rede, die er gehalten hat, hätte er auch in einer Uni oder sonst wo halten können. Es ging darum, diesen Heiligen Vater im Parlament besonders zu ehren durch den Auftritt im Deutschen Bundestag und Ovationen der Vertreter der deutschen Bevölkerung. Das lehnte ich ab. Nicht nur weil ich die Trennung von Kirche und Staat für eine Errungenschaft halte, die nicht in Frage gestellt werden sollte. Ich wollte bei der Ehrung dieses Heiligen Vaters nicht dabei sein. Ich kann und will nicht darüber hinwegsehen, daß er Familienplanung ablehnt und damit zu unverantwortlichem Anwachsen der Bevölkerung etwa in Afrika beiträgt, daß er gegen die Nutzung von Kondomen ist und damit Menschen der Übertragung von Aids und anderen Krankheiten aussetzt, daß er Exorzismus und Teufelsaustreibung befürwortet und damit meist Frauen großes Leid antun läßt, und daß er kirchliche Holocaustleugner in der katholischen rehabilitiert hat. Vor allem kritisiere ich an diesem Heiligen Vater, daß er zwar gern über die Hilfe für die Armen auf der Welt predigt, aber die Theologie der Befreiung in Lateinamerika geschwächt und bekämpft hat. Er ist Bischöfen und Priestern der Kirche, die sich konkret vor Ort für die Armen eingesetzt haben häufig unter Einsatz ihres Lebens, in den Rücken gefallen und sie hat absetzen und versetzen lassen. Und er hat bei seinem Besuch in Lateinamerika sich nicht etwa für Völkermord und Verbrechen begangen im Namen und unter Mitwirkung der katholischen Kirche an der indigenen Bevölkerung bei der Eroberung des Kontinents entschuldigt - wie viele gehofft hatten - sondern er hat die ungeheuerliche Behauptung aufgestellt, die indigene Bevölkerung dieses Kontinents habe den katholischen Glauben freudig herbeigesehnt. Nein, diesem Heiligen Vater wollte ich keine besondere Ehre erweisen.
Auch zu Beginn der Reden des russischen Präsidenten Putin und des US-Präsidenten im Deutschen Bundestag bin ich aus politischen Gründen rausgegangen. Auch sie hatten solche Ehrung wirklich nicht verdient. Ich möchte, daß der Deutsche Bundestag nur solchen Persönlichkeiten besondere Ehren bezeugt, deren persönlicher Einsatz und Wirken sie dessen würdig erscheinen läßt.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele