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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Frank W. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Frank W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Stroebele,

mit Entsetzen habe ich heute die Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 5. Juli 2011, bzgl. der muendlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen "Griechenland-Hilfe" und "Euro-Rettungsschirm", gelesen. Unabhaengig von der Klage selbst moechte ich folgenden Abschnitt zitieren:

"[...] Der Prozessbevollmächtigte des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Franz Mayer von der Universität Bielefeld, unterstrich einleitend, dass schon erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden bestünden, sie jedenfalls aber unbegründet seien. Die Beschwerdeführer würden sich auf ein neuartiges Recht berufen, das bisher gar nicht existiere, nämlich ein umfassendes Grundrecht auf Demokratie. [...]".

Stimmt das, dass wir kein unfassendes Grundrecht auf Demokratie haben?

Ich wende mich an Sie, da ich viel von Ihrem Urteil halte.

Mit freunlichen Gruessen

Frank Wigger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wigger,

die von Ihnen erwähnte Pressemitteilung des Bundestages vom 5.7.2011, die eher journalistisch statt juristisch präzise formuliert ist, lautet im Zusammenhang:

"Eine Delegation des Deutschen Bundestages unter Leitung des Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder, hat an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Kauder wies in seiner Eingangsstellungnahme den Vorwurf, das Parlament habe sich bei den Beratungen der entsprechenden Gesetze von der Bundesregierung erpressen lassen, als unrichtig zurück. Er erläuterte den Richtern, dass das Parlament im Zuge seiner Beratungen vielmehr auf weitergehende Kontrollrechte bei der Übernahme finanzieller Garantien bestanden und diese auch gegenüber der Bundesregierung durchgesetzt hat. Der Deutsche Bundestag hat seine Rechte in den parlamentarischen Beratungen der „Griechenland-Hilfe“ und des „Euro-Rettungsschirms“ daher mit großem Selbstbewusstsein wahrgenommen. Der Prozessbevollmächtigte des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Franz Mayer von der Universität Bielefeld, unterstrich einleitend, dass schon erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden bestünden, sie jedenfalls aber unbegründet seien. Die Beschwerdeführer würden sich auf ein neuartiges Recht berufen, das bisher gar nicht existiere, nämlich ein umfassendes Grundrecht auf Demokratie. Für die Anerkennung eines solchen Grundrechts und eine damit verbundene Ausweitung der Möglichkeiten zur Verfassungsbeschwerde gebe es aber keinen Anlass. Die rechtlichen Vorgaben zur Beteiligung des Bundestages seien eingehalten worden und die Durchführung eines den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Gesetzgebungsverfahrens in kürzester Zeit gerade ein Ausweis für die Leistungsfähigkeit des Bundestages in Krisenzeiten. Wiederholt betonte Mayer die Einschätzungsprärogative von Bundestag und Bundesregierung zu den vorliegenden schwierigen währungs- und finanzpolitischen Fragen."

Richtig ist, daß wir kein ausdrückliches Grundrecht auf Demokratie im Grundgesetz finden. Aber trotzdem ist die Bundesrepublik Deutschland eine umfassende Demokratie, aus der sich auch Ansprüche Einzelner auf demokratische Rechte und demokratische Teilhabe herleiten lassen. Dies ergibt sich aus dem Grundgesetz insgesamt aber auch aus einzelnen Artikeln. So ist die Bundesrepublik ein demokratischer Rechtsstaat (vgl. Art. 20 GG), in dem die Grundrechte der Art. 1 - 19 GG gelten, u.a. die sogen. Rechtsweg-Garantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG.
http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_19.html

Im von Ihnen genannten Verfahren geht es auch um Rechte der gewählten Abgeordneten und des Parlaments auf Informationen und Kontrolle der Regierung.

Ob diese bei den Euro-Rettungsmaßnahmen gewahrt sind und waren, soll das Verfassungsgericht entscheiden.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele