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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sebastian W. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Sebastian W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

das Bundestagswahlrecht ist meiner Meinung nach sehr kompliziert und teilweise ungerecht.
Ich würde Ihnen gerne (m)ein Modell vorstellen und Ihre Meinung dazu erfahren.

Jeder Wahlberechtigte wählt mit einer Stimme eine der zugelassenen Parteien.
Die Anzahl der an die Parteien vergebenen Plätze richtet sich nach den absoluten Stimmen. D.h. Es wird pro 100.000 Stimmen ein Platz an die Partei vergeben. Daraus folgt, dass bei gringerer Wahlbeteiligung auch weniger Plätze vergeben werden. Die Bürger werden somit motiviert zur Wahl zu gehen. Zusätzlich kann jeder Wähler eine Zweitstimme auf eine Person in einer Partei abgeben. Dazu kann jede Partei eine Bundesliste mit Kandidaten aufstellen. Diese Stimmen zählen allerdings nur Parteiintern. d.h. der Kandidat mit den meisten Stimmen in einer Partei erhält den ersten Platz der Partei usw. Erhält die Partei z.B. 10 Plätze und hat aber in der Liste 20 Kandidaten, so können nur die 10 Kandidaten mit den meisten Stimmen einen Platz bekommen. Überhangmandate gibt es somit nicht, da die Zweitstimme nur noch Parteiintern gilt und nicht mehr Bundesweit verrechnet werden muss.

Statt der aktuellen 5% Hürde könnte man festlegen, dass eine Partei mindestens 1 Mio Stimmen benötigt um in den Bundestag einziehen zu dürfen.

Dieses System wäre meiner Meinung nach sehr gerecht, auch gegenüber kleineren Parteien. Eine einzelne Stimme würde deutlich mehr zählen, als bisher. Überhangmandate gäbe es nicht mehr.

Was denken Sie über dieses Modell? Glauben Sie, dass sich dieses Modell durchsetzen könnte? Wo sehen Sie Nachteile?

Mit freundlichen Grüßen,
Sebastian Weles

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Weles.

Richtig ist, daß das Wahlrecht in Deutschland geändert werden muß. Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahren die geltende Regelung der Überhangmandate für verfassungswidrig erklärt und eine Frist zur Reform gesetzt. Diese Frist läuft zum Juli dieses Jahres ab. Die Grünen haben schon lange einen Änderungsvorschlag vorgelegt. Die SPD hat nachgezogen und inzwischen gibt es auch schon Vorschläge aus der Koalition. Es scheint fraglich, ob bis zum Fristablauf ein Gesetz verabschiedet werden kann, weil die Regelung schwierig ist und Sachverständige gehört werden müssen.

Ihren Vorschlag halte ich für gut gemeint, aber nicht für richtig. Sie versuchen, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Das ist löblich. Aber so wie vorgeschlagen wird das nicht klappen.
Ihr Vorschlag bleibt mir auch weitgehend unklar.
Soll es weiter eine Erststimme für Wahlkreiskandidaten und eine Zweitstimme für Parteien geben oder werden zwei Stimmen nur für Parteien abgegeben? Mit der Erststimme wollen Sie offensichtlich nur die Größe der Parteien bestimmen (pro 100 000 Stimmen ein Mitglied des Bundestages) und mit der Zweitstimme dann die Reihenfolge der Kandidaten regeln.
Damit würde der Einfluß der Parteien und hier insbesondere der Einfluß der Parteioberen auf die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten noch mal verstärkt. Denn ohne auf der von den Parteien aufgestellten Listen zu stehen, wäre eine Kandidatur etwa als Direktbewerber im Wahlkreis nicht möglich. Damit würde einiges an unmittelbarer Verantwortlichkeit der Abgeordneten gegenüber der Bevölkerung im Wahlkreis verlorengehen. Gerade die Mischung der direkt gewählten Abgeordneten und der über die Landeslisten gewählten macht den besonderen Reiz unseres Wahlrechts aus, das viele Vorteile vor der reinen Verhältnis- oder reinen Personenwahl hat.
Deshalb unterstütze ich Ihren Vorschlag, so wie ich ihn verstehe, nicht.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele