Portrait von Hans-Christian Ströbele
Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Hans-Christian Ströbele zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Stefan F. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Stefan F. bezüglich Recht

Hallo Hans-Christian.

Ich bin Lehrer an einer lokalen Realschule und habe mit meinem Kurs (Politik Klasse 9) gerade über die Trennung von polizeilichen und militärischen Aufgaben (Abgrenzung der GASP der EU vom Bereich der Zusammenarbeit der Justiz und Strafverfolgung) gesprochen. Dabei sprachen wir auch über das allgemeine Verbot eines Bundeswehr-Einsatzes im Inland.

Ein Schüler teilte mir mit, dass sein Bruder (Berufssoldat) beim letzten Castor im Wendland "im Einsatz" war. Was genau dieser dort gemacht habe, wusste er allerdings nicht. Auch von anderen Schülern, die bei einer der Demonstrationen mitgelaufen waren, habe ich gehört, dass sie BW-Soldaten auf Lastwagen bzw. in Mannschaftsbussen gesehen hätten. Ich selber habe dergleichen nicht gesehen.

Meine Frage: Sind beim letzten Castor ins Wendland BW-Soldaten zur "Sicherung" der Demo bzw. des Transports zum Einsatz gekommen? Oder haben sich die SchülerInnen lediglich von den bulligen Uniformen unserer Freunde und Helfer täuschen lassen?

Vielen Dank, herzliche Grüße und herzlichen Glückwunsch zu den kürzlichen Wahlergebnissen.

Stefan

Portrait von Hans-Christian Ströbele
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Franke.

Mit anderen Kollegen im Bundestag achte ich genau darauf, daß die Bundeswehr im Inneren nicht als eine Art Hilfspolizei oder "Nationalgarde" eingesetzt wird. Das Grundgesetz erlaubt ihren Einsatz innerhalb Deutschlands nur in sehr engen Grenzen, die u.a. in Artikel 35 Grundgesetz definiert sind.

Zu unterscheiden sind zivile Hilfseinsätze in Notsituationen wie z.B. bei der Einbringung von Ernten im Sommer oder Herbst oder bei Flutkatastrophen wie an der Oder von Einsätzen mit Waffen oder Militärgerät für Sicherungsaufgaben zur Unterstützung der Polizei. Ersteres darf die Bundeswehr wie jede andere Behörde, letzteres darf sie nicht.
Bei Großdemonstrationen sind die Grenzen von erlaubtem und nichterlaubtem Einsatz zuweilen schwierig zu ziehen.

Wenn die Bundeswehr Essen aus "Gulaschkanonen" verteilt,Toilettenhäuschen aufstellt, Unterkünfte zeitweilig zur Verfügung stellt oder Krankentransporte unterstützt, ist dies wohl zulässig im Rahmen von ziviler Amtshilfe. Wenn sie aber die Polizei verstärkt und Sicherungsaufgaben, Gefangenentransporte übernimmt oder gar gegen Demonstranten gewaltsam enschreitet, ist das nicht zulässig.

Über einen unzulässigen Bundeswehreinsatz im Wendland bei dem letzten Castortransporten weiß ich nichts Näheres. Ich war ja selbst dort, habe aber nichts bemerkt. Wohl aber weiß ich vom Einsatz ausländischer Polizisten dort. Aber bei den Großdemonstrationen während des G-8-Gipfels in und um Heiligendamm war die Bundeswehr vielfach im Einsatz. Tornado-Flugzeuge folgen im Tiefflug über Demonstrantenlager, fotografierten und schüchterten ein, Panzerspähwagen waren an Autobahnabfahrten stationiert und klärten auf, Bundeswehrhubschauber unterstützen die Polizei und Soldaten bewachten festgenommene Demonstranten.

Die Grünen haben diese Einsätze als verfassungswidrig öffentlich verurteilt. Die grüne Fraktion hat die Einsätze im Bundestag aufzuklären versucht und problematisiert. Wir haben eine Organklage beim Verfassungsgericht eingereicht, um die Rechtswidrigkeit des Einsatzes feststellen zu lassen. Die Klage wurde aus formalen Gründeen abgelehnt. Aber wir unterstützen weiter Einzelklagen von Demonstranen, die von den Bundeswehreinsätzen betroffen waren, mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Die Klagen sind noch beim Verwaltungsgericht anhängig und sollen bis zum Bundesverfassungsgericht fortgeführt werden.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele