Frage an Hans-Christian Ströbele von Anton B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Herr Ströbele,
erklären Sie mir mal bitte, auf welchem rechtstaatlichen Boden Sie stehen, wenn Sie die Räumung der Liebigstr. in Berlin-Friedrichshain als "pervers" bezeichnen.
Ich habe mittlerweile kein Verständnis mehr für diese linksradikale Krawallmaschinerie, die Sie und Ihr Kollege Bürgermeister Schulz als "Bereicherung" für die Stadt sehen. Sie sollten mal als Abgeordneter dieses Bezirks auch an die Menschen denken, die vor Ort in Ruhe leben und arbeiten wollen. Sie sollten sich mal bitte vor deren Anliegen und Wohnungen stellen. Oder haben Sie Verständnis für marodierende Krawaller, die in Restaurants oder Läden einbrechen und dies mit Kapitalismuskritik verbinden ? Wird eigentlich irgendeiner der Krawaller rechtstaatlich oder finanziell zur Verantwortung gezogen ? Nein, da wollen Sie lieber unsere Steuern bzw. diese fehlen dann, um sinnvollere Einsätze zu bezahlen.
Ein verärgerter Fredrichshainer Bürger
Sehr geehrter Herr Bloeth.
Als pervers habe ich bezeichnet die Räumung, weil die dadurch verursachten Kosten sinnvoller hätten verwendet werden können, etwa für die Beschaffung eines Ersatzgrundstückes - ganz abgesehen von den Gesundheitsrisiken für die Beteiligten – oder um sinnvollere Einsätze zu bezahlen. Deshalb war es doch alle Mühen wert, nach alternativen Lösungen zu suchen, um die Räumung zu vermeiden.
Sie fragen nach dem rechtsstaatlichen Boden, auf dem ich stehe. Es ist der unserer Gesetze.
Das Haus Liebigstraße 14 war kein besetztes Haus mehr. Es gab ordentliche Mietverträge, und die Bewohnerinnen und Bewohner haben Miete bezahlt. Die Mietverträge wurden gekündigt. Über die Wirksamkeit der Kündigung gab es einen Rechtsstreit, in dem Gerichte gegen die Bewohner entschieden haben.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Räumung wurden mir am Morgen der Räumung bekannt, als der Anwalt der Bewohner der Liebigstraße 14 vor Ort einen Beschluss des Langerichts, also der 2. Instanz, vom Vortage zeigte, in dem steht, der Gerichtsvollzieher solle bei jedem der festgestellten BewohnerInnen des Hauses prüfen, ob gegen diesen ein Räumungstitel vorliegt und, sofern nicht, von dessen Räumung absehen. Den Gerichtvollzieher bekamen wir aber nicht zu Gesicht. Die Annahme liegt nahe, dass die vom Gericht geforderte Prüfung ergeben hätte, dass die im Haus festgestellten Personen nicht die waren, gegen die sich der Räumungsbescheid richtete.
Das jedenfalls vermutete die Vorsitzende des Vereins, der die Mieterrechte vertritt. An der Polizeisperre nahe des Hauses Liebigstraße 14 wurde sie angehalten und erst mittags durchgelassen. Sie teilte mir dann mit, die BewohnerInnen seien bereit gewesen, den Gerichtsvollzieher in das Haus zu lassen, um die vom Gericht geforderte Prüfung vorzunehmen. Dazu kam es schon deshalb nicht, weil die Polizeiführung nicht zu erreichen war.
Sie sehen, die Rechtslage war problematisch.
Nach der letzten Hausräumung, bei der ich vor Jahren in Kreuzberg anwesend war, hatte das Gericht nach langer Zeit festgestellt, dass die Räumung rechtwidrig gewesen war. Danach gibt es jetzt gute Gründe, genau hinzusehen.
Sie haben recht, als Abgeordneter dieses Wahlkreises soll ich an die Menschen denken, die vor Ort in Ruhe leben und arbeiten wollen. Das tue ich, und das habe ich auch gestern getan. Deshalb bin ich in die Liebigstraße gefahren, um dort zuzusehen, mir ein Bild zu machen und dieses zu bewerten.
Ich kümmere mich auch um die Anliegen vieler anderer Menschen und deren Wohnungssituation im Wahlkreis. Deshalb habe ich im Bundestag Gesetzesänderungen gefordert und Vorschläge unterstützt, damit die Bezirksämter Mietsteigerungen deckeln können, um gewachsene Bevölkerungsstrukturen zu erhalten.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele