Frage an Hans-Christian Ströbele von Gudrun W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
mit Zuversicht und Zweifeln verfolge ich die Entwicklung der politischen Kultur auf Bundes- und Länderebene.
Bei den anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg würde ich gerne Grün wählen, nicht zuletzt weil die Grünen eine bürgerfreundliche Haltung zu Stuttgart 21 und damit zum Demokratieverständnis der Bürger einnehmen. Das kann ich aber nur vor mir selber verantworten, wenn sich die grüne Partei, wie die SPD, entschiedener dafür einsetzt, Referenden auf Länder- und Bundesebene einzuführen und erklärtermaßen keine Koalition mit Parteien eingehen wird, die dieser wichtigen Umstellung unserer erodierten repräsentativen Demokratie entgegenstehen, wie CDU, FDP etc.
In wieweit kann ich mich diesbezüglich auf Wahlaussagen und -verhalten der Grünen verlassen? Ich hoffe sie halten es nicht mit Müntefering, der seinerzeit öffentlich verkündete, dass der Bürger nicht erwarten kann, dass Wahlversprechen vor der Wahl später auch eingehalten werden.
Bitte teilen Sie mir Ihren Standpunkt hierzu mit.
Mit freundlichen Grüßen,
Gudrun Weltin
Sehr geehrte Frau Weltin.
Schön, daß Sie überlegen, den Grünen bei den Wahlen Ihre Stimme zu geben. Der Überlegung können Sie ruhig folgen.
Selbstverständlich kann ich nicht garantieren, was Grüne im Stuttgarter Landtag oder in einer Regierung tun werden und welche Kompromisse Sie eingehen müssen. Ich weiß auch nicht, ob es möglich sein wird, die Voraussetzungen für einen Volksentscheid in Baden-Württemberg zu schaffen bzw. zu verbessern. Das hängt ja auch vom Wahlergebnis ab. Und über die Frage von Koalitionen und Koalitionsvereinbarungen entscheiden bei den Grünen allein die Landesverbände.
Aber unser Zugewinn an Stimmen bei Umfragen, hängt mit der Steigerung unserer Glaubwürdigkeit zusammen. Und die hat ja Gründe in Stuttgart wie auch in Berlin und anderswo.
In der Sache selbst jedenfalls ist die Haltung der Grünen eindeutig. Wir waren schon immer für mehr Beteiligung des Volkes an den wesentlichen politischen Entscheidungen. Deshalb steht die Forderung nach Einführung von Volksentscheiden auf Bundes- und Landesebene in allen Programmen.
Wir waren auch nicht untätig im Bundestag. Fast in jeder Legislaturperiode haben wir Forderungen oder sogar ausformulierte Gesetzentwürfe für die Einführung von Volksentscheiden im Bundestag eingebracht und diskutiert. Jedes Mal scheiterten sie in der Abstimmung an den Gegenstimmen der Union. Wir hatten uns stets bereit erklärt, über einzelne Formulierung zu reden, um Kompromisse zu ermöglichen.
Auch jetzt werden wir wieder einen solchen Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag einbringen.
Auf Landesebene sieht es viel besser aus. In vielen Bundesländern gibt es inzwischen die Möglichkeit für solche Volksinititiativen. In Berlin wird davon sehr rege Gebrauch gemacht. Von allen Seiten. Übrigens auch von der CDU, zum Beispiel gegen die Aufgabe des Flughafens Tempelhof. Allerdings verfehlte die Union dabei die notwendige Mehrheit.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele