Frage an Hans-Christian Ströbele von Felix H. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Ströbele,
anlässlich der Fußball WM 2006 wurden Sie dahingehend zitiert, dass Sie sich beim Anblick der vielen Deutschland-Fahnen "unwohl" gefühlt haben. Das, vor allem in Deutschland, sensible Thema wieviel Nationalstolz in Ordnung ist möchte ich an dieser Stelle aufgreifen. Nicht zufällig fällt der Zeitpunkt meiner Frage in den Rahmen der Fußball WM 2010 in Südafrika.
In meiner Frage möchte ich Bezug nehmen auf einen Artikel der berliner Morgenpost ( http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article1332648/In-Neukoelln-ist-ein-Fahnenstreit-entbrannt.html )
Die wichtigste Frage im Bezug auf diesen Artikel lautet: Wenn man diese Schilderungen (und die größtenteils friedlichen Feierlichkeiten von Fans aus verschiedensten Nationen) berücksichtigt, hat das "Flagge zeigen" dann nicht sogar eher einen integrativen und zusammenführenden Wert, anstatt abzugrenzen?
Ich hoffe auf eine differenzierte Betrachtung dieses Aspekts, denn meiner Meinung nach kann übersteigerter Patriotismus gefährlich sein und ausgrenzen, ein gesundes Verhältnis zur eigenen Identität und damit verbunden auch zu eigenen Herkunft und Nation legt meiner Meinung nach aber die Grundlage um sich für andere Kulturen öffnen zu können und ihnen mit Toleranz begegnen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
F. Herbort
Sehr geehrter Herr Herbort.
Mein Unwohlsein angesichts der vielen Deutschlandfahnen an Häusern und Autos hat sich auch während der Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr wieder eingestellt. Daran ändert auch nichts, daß immer mehr Migranten diese Flagge an ihren Autos anbringen und am Wohnhaus hissen. Das war auch bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft und der Fußball-Europameisterschaft schon so, aber es sind offensichtlich mehr geworden vor allem etwa in Berlin Kreuzberg seitdem Özil das entscheidende Tor im Spiel gegen Ghana geschossen hat.
Ich weiß, daß Patriotismus und Nationalismus in anderen Ländern viel "unverkrampfter" praktiziert und hingenommen werden. Ich weiß auch, daß das Verhältnis zu staalichen Symbolen in vielen Völkern anders war und ist, als in den letzten Jahrzehnten in Deutschland. So kenne ich den Hinweis auf die vielen US-Flaggen in vielen Vorgärten in den USA.
Gerade auch Migranten haben häufig ein sehr enges Verhältnis und eine emotionale Bindung zu ihrem Herkunftsland und dessen staatlichen Symbole. Wenn daraus zuweilen patriotischer Überschwang oder gar Nationalismus wird, finde ich das überhaupt nicht gut und wende mich dagegen.
Migranten, die jetzt die Deutschlandfahne raushängen, demonstrieren, daß sie in der deutschen Gesellschaft angekommen sind und sich dazu gehörig fühlen. Das ist Integration pur, also positiv, wenn auch in einer Art, die mir nicht paßt. Ein Widerspruch, mit dem ich leben muß.
Ich verstehe, daß Migranten in Deutschland meine Probleme mit der Deutschlandfahne nicht haben. Aber trotzdem muß ich die Beflaggung der Häuser und Autos in Deutschland nicht gut finden und darf mich weiter unwohl fühlen.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele