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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Werner C. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Werner C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

in einer Sendung des Deutschlandradio Kultur äußert sich Herr Bundespräsident Köhler nach einem Besuch im Feldlager Masar-i-Scharif wie folgt: (Zitat von der D-Radio Seite)
"Allerdings müsse Deutschland mit seiner Außenhandelsabhängigkeit zur Wahrung seiner Interessen im Zweifel auch zu militärischen Mitteln greifen."

Dies stellt m.E. eindeutig einen Bruch des von Herrn Köhler bei seinem Amtsantritt geleisteten Eides auf unser Grundgesetz dar.

[Artikel 26 [Verbot der Vorbereitung eines AngriffsKrieges; Kriegswaffenkontrolle]

(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines AngriffsKrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.]

Als Bundespräsident ruft Herr Köhler mit seiner obigen Aussage auf, unser Grundgesetz zu verlassen. Merkwürdigerweise ist die Sendung nicht mehr verfügbar auf D-Radio.

Welchen Standpunkt vertreten Sie in der Frage, ob dieses Verhalten unseres Präsidenten verfassungskonform ist?

Falls auch Sie zu dem Schluß kommen, dass Herr Köhler hier zum Bruch des Grundgesetzes aufgerufen hat, was werden Sie hier unternehmen?

Kann ich als Bürger ggf. diesen Tatbetand zur Anzeige bringen?
Wenn ja, wie?

Mit freundlichem Gruß

Portrait von Hans-Christian Ströbele
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Copray.

Wegen dieses Interviews des Bundespräsidenten haben mich schon andere Personen angeschrieben. Deshalb habe ich mich bemüht, das Zitat aus dem Interview vom 22. Mai 2010 zu beschaffen.
Richtig ist, daß der Bundespräsident einen Amtseid abgelegt hat, "das Grundgesetz zu wahren" (Art. 56 GG) und daß Artikel 26 des Grundgesetzes "insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten" für "verfassungswidrig" erklärt. Solche Handlungen sind unter Strafe zu stellen, was in § 80 des Strafgesetzbuches geschehen ist. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu Lebenslang bestraft, wer einen Angriffskrieg vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die BRD herbeiführt. Nach § 80 a StGB wird schon das öffentliche Aufstacheln zum Angriffskrieg mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren strafbar.
Anzeige kann jeder erstatten, der meint, ein solcher Tatverdacht sei begründet.

Nach meinen Erkundigungen soll das Interview des Bundespräsidenten an der problematischen Stelle den Wortlaut haben.
"Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung, und damit auch Außenhandelsabhängigkeit, auch wissen muss, dass im Zweifel , im Notfall auch militärtischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, z.B. freie Handelswege, z.B. ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen."
Das Interview fand am Samstag 7:50 Uhr in Mazar-e-Sharif statt...
Aus dem Text ergibt sich wohl nicht die konkrete Vorbereitung eines konkreten Angriffskrieges und auch nicht ein Aufstacheln zu einem solchen.

Wenn auch eine solche Äußerung den Verbrechenstatbestand nicht erfüllt, so ist sie politisch doch höchst problematisch, denn mit der Friedensverspflichtung und der Aufgabenbeschreibung der Bundeswehr im Grundgesetz dürfte sie nicht zu vereinbaren sein.
Kürzlich wurden ähnliche Vorschläge für eine neue NATO-Strategie öffentlich bekannt, die von einer Kommission unter Leitung der ehemaligen US-Außenministerin Albright erarbeitet wurden. Über diese soll bereits im Herbst dieses Jahres entschieden werden.
Ein militärische Einsatz zur Sicherung von Handelswegen ist der Bundeswehr schon lange nicht mehr wesensfremd. Denn das, was sie vor der Küste Somalias und weit daußen im Indischen Ozean schon länger betreibt, ist im Kern nichts anderes.

Solche Militäreinsätze und Kriege drohen zur Normalität deutscher Politik zum Schutz deutscher Interessen zu werden. Die weltweite Sicherung der Einkommen und Arbeitsplätze in Deutschland und der Schutz unsereres Handels durch Krieg wäre Imperialismus. Deshalb muß gegen die Verabschiedung einer solchen NATO-Strategie Widerstand geleistet werden.

Mit einer parlamentarischen Anfrage werde ich eine Stellungnahme der Bundesregierung zu der Äußerung des Bundespräsidenten beantragen.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele