Frage an Hans-Christian Ströbele von Sylvia Ilona B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
seit längerem bin ich sehr beunruhigt über den Einsatz unserer Soldaten in Afghanistan. Sollte es aus irgendwie gearteten politischen Gründen angezeigt (gewesen) sein, dass Deutschland sich aus diesem Konflikt nicht heraushalten kann/konnte, so halte ich es für geboten, dass die Soldaten mit erstklassigem Gerät ausgestattet werden (was in der Vergangenheit nicht der Fall war). Ansonsten halte ich die Entscheidung, die Soldaten nach Afganistan geschickt zu haben und nicht abzuziehen, für fahrlässig und verantwortungslos. Steht hier möglicherweise der Straftatbestand der fahrlässigen Tötung im Raum? Oder wird ein möglicher Straftatbestand dadurch verhindert, dass aus politischen Gründen nicht von Krieg/Kriegseinsatz gesprochen wird?
Gibt es irgendwelche Möglichkeiten, unsere Politiker, die derzeit die Regierung stellen bzw. in der Verantwortung sind, nach den Vorkommnissen der letzten Tage sehr schnell dazu zu bewegen, entsprechend zu entscheiden und zu handeln, so dass die Soldaten in die Lage versetzt werden, sich optimal zu wehren, damit letztendlich Todesfälle verhindern werden können. Gibt es rechtliche Möglichkeiten, die Verantwortlichen zu zwingen, die Soldaten in Afganistan entsprechend zu schützen. Mich treiben die Vorkommnisse um. Als deutsche Bürgerin kann ich nicht länger die Nachrichten und Stereotypen zu diesemThema, die öffentlich geäußert werden, ertragen.
Können Sie mir zu der rechtlichen Situation und zu den politischen Hintergründen Näheres sagen? Über eine Nachricht von Ihnen wäre ich dankbar.
Freundliche Grüße
Sylvia Ilona Baum
Sehr geehrte Frau Baum.
Ihre Ablehnung des andauernden Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan teile ich. Deshalb habe ich seit 2001 im Bundestag zu allen Kampfeinsätzen der der Bundeswehr in Afghanistan mit NEIN gestimmt. Zuletzt war dies der Fall bei der Verlängerung und Änderung des Mandats in diesem Februar.
Meine schlimmen Voraussagen sehe ich bestätigt. Jedes Jahr der Verlängerung dieses Krieges hatte zur Folge, daß weitere Tausende von Menschen getötet oder verletzt wurden. Trotz der Vervielfachung der Truppenstärke und immer neuen Offensiven der Nato ist die Sicherheitslage in den letzten Jahren dramatisch schlechter geworden. Und ich fürchte, der Krieg wird mit noch mehr Nato-Soldaten, Bombardierungen und Säuberungsaktionen über weitere Jahre fortgesetzt, obwohl alle wissen, daß er nicht zu gewinnen ist und am Ende nur alles noch schlimmer sein wird. Deshalb streite ich schon lange für die Beendigung des Afghanistankrieges in verantwortbarer Weise und hatte dazu mit vielen anderen schon vor mehr als einem halben Jahr eine Unterschrifteinsammlung initiiert.
Eine realistische Chance, den Krieg oder auch nur die Teilnahme der Bundeswehr daran mit Hilfe von Gerichten quasi auf dem Rechtsweg zu beenden, sehe ich nicht.
Es gibt nicht immer eine Lösung auf dem Rechtsweg. Man kann nicht alles den Gerichten überlassen. Die Politik und die Bürgerinnen und Bürger müssen den Krieg beenden. Die Chancen dafür sind nach der halben Wende des US-Präsidenten Obama besser geworden, aber immer noch nicht gut.
Es gilt, gerade in Deutschland die Meinung der großen Mehrheit der Bevölkerung, die nach dem Ergebnis aller Umfragen die Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr ablehnt, wirksam werden zu lassen. Aber es genügt nicht, wenn ich im Bundestag ziemlich allein immer mal wieder darauf hinweise, wie die Mehrheit denkt, sondern erst wenn die Frage von Krieg und Frieden in Afghanistan für die Wahlentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger von bestimmender Bedeutung ist, wird die Mehrheitsmeinung sich durchsetzen und zum Rückzug der Bundeswehr führen. In Holland erleben wir, wie das funktionieren könnte.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele