Frage an Hans-Christian Ströbele von Michael J. bezüglich Wirtschaft
Wenn im Kapitalismus grundsätzlich eine Tendenz zu wachsender Ungleichheit besteht, wie Sie schreiben, bevorzugen Sie dann ein anderes Gesellschaftssystem? Welches Gesellschaftssystem wäre das und wie wollen Sie es erreichen?
Sehr geehrter Herr Jendrian,
Danke für Ihre Nachfrage.
Gesellschaftsveränderung ist nach wie vor ein zentrales Motiv für politisches Handeln. Dies gilt für Herrn Ströbele als Linken ohnehin; aber auch für viele Grüne mit unterschiedlichsten politischen Sozialisationen (Frauenbewegegung, Ökobewegung, Friedensbewegung, Anti-AKW-Bewegung etc.) ist Gesellschaftsveränderung nach wie vor Antrieb Ihres Handelns.
Die Zielstellung ist natürlich nicht mehr einfach zu formulieren, wenn man davon ausgeht, dass "Sozialismus" als nachkapitalistische Übergangsphase heute als konkretes Modell nicht mehr gut taugt. Dies hat vor allem damit zu tun, dass der Kapitalismus sich offenbar rasant verändert; der Charakter der Veränderung ist ja offenbar noch umstritten, wenn man z.B. die weltweite Empire-Debatte verfolgt. Aber einerlei, ob "Globalisierung" oder "Wissensgesellschaft", ob "Neoliberalismus" oder "Turbokapitalismus", ob "Neues Akkumulationsregime" oder "Herrschaft des Vermögensmarktes", es muss im Moment darum gehen, in den Prozess der Veränderung zu intervenieren und nicht diese Debatte den Rechten zu überlassen. Eine gerechtere Gesellschaft lässt sich als Zielrichtung ausmachen und politisch anstreben, ohne ein "Modell" zur Hand zu haben, was gegenüber dem konkreten Vergesellschaftungsprozess immer eine Verkürzung darstellt.
Mit freundlichen Grüssen
Dietmar Lingemann