Frage an Hans-Christian Ströbele von Michael L. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Ströbele,
wie beurteilen Sie das vor kurzem ergangene Urteil, das für einen moslemischen Schüler ein Gebetsraum in der Schule eingerichtet werden muss und dass im genauen Gegensatz dazu vor ein paar Jahren ein Urteil ergangen ist, dass in Klassenräumen kein Kruzifix mehr aufgehängt werden darf? Ist so die Gleichberechtigung der Religionen in Deutschland überhaupt noch gewährleistet?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Lux
Sehr geehrter Herr Lux.
Das Grundgesetz gewährleistet nach Artikel 4 Absatz 2 die ungestörte Religionsausübung. Dies gilt selbstverständlich für jede Ausübung einer Religion. Dem hat das Gericht in dem von Ihnen angesprochenen Urteil offensichtlich versucht, Rechnung zu tragen.
Allerdings darf die Ausübung dieser Freiheit einer Religion nicht so weit gehen, daß andere in die Religionsausübung einbezogen und in ihrer religiösen Freiheit beeinträchtigt werden.
Dies kann aber der Fall sein, wenn der Unterricht im Zeichen des Kreuzes stattfindet, aber auch wenn das Beten den Unterrichtsablauf der anderen Schülerinnen und Schüler behindert.
Hinzu kommt, daß in Deutschland nach der Aufklärung der Staat sich religiös neutral verhalten sollte und grundsätzlich Kirche und Staat getrennt sein sollten. Diese Neutralität könnte durch ein Kreuz an der Wand im Klassenraum oder im Gerichtssaal verletzt, aber auch durch die Widmung eines Raumes der Schule für Zwecke einer bestimmten Religionsausübung tangiert sein.
Es kommt also auch auf die jeweiligen Verhältnisse im Einzelfall an.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele