Frage an Hans-Christian Ströbele von Michael S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele!
Sie sind Mitglied im Rechtsauschuss des Deutschen Bundestages. Ich habe drei rechtliche Fragen zur Quotenregelung. In jedem Fall, in dem die Quotenregelung zur Anwendung kommt, wird eine Frau aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt und ein Mann aufgrund seines Geschlechts benachteiligt. Genau das verbietet das Grundgesetz:
Niemand darf aufgrund seines Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt werden.
Im Grundgesetz steht auch:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
Gleichberechtigung bedeutet: Wenn ich als Mann gleich gut qualifiziert bin wie meine (einzige) Mitbewerberin, dann habe ich eine 50%-ige Chance auf den Job. Als 20- jähriger Mann kann ich ja schließlich nichts dafür, daß in der betroffenen Behörde schon 70 Männer und nur 30 Frauen arbeiten. Ich werde im konkreten Fall aufgrund meines Geschlechts benachteiligt.
1. Frage: Wie vereinbaren Sie die Quotenregelung mit Artikel 3 GG? Ich erbete mir eine ausschließlich juristische Antwort auf meine Frage und bitte Sie, auf meine obige Argumentation einzugehen.
2. Frage: Sind Gleichberechtigung und Gleichstellung für Sie dasselbe? Für mich sind es Gegensätze! Gleichstellung bedeutet: Aufgrund einer vermuteten Diskriminierung von Frauen in der Vergangenheit werden konkret, nachweislich und per Gesetz Männer benachteiligt, um einen Ausgleich zu schaffen. Es sind aber nicht dieselben Männer, es ist eine andere Generation. Sie schaffen durch die Quotenregelung und Geichstellung neue Diskriminierung.
3. Frage: Warum wird die Quotenregelung in Kitas Kindergärten und Grundschulen, wo bis zu 100% Frauen arbeiten, nicht zugunsten von Männern angewandt? (Bitte antworten Sie jetzt nicht: Es gibt zu wenig männliche Bewerber! Das ist natürlich richtig, aber gerade deshalb müßte ja die Quotenregelung zugunsten der wenigen Bewerber angewandt werden!)
Mit freundlichen Grüßen
Michael Schreiber
Sehr geehrter Herr Schreiber,
Ich bedaure, daß Sie offenbar in einem konkreten Bewerbungsverfahren nicht erfolgreich waren und sich aufgrund Ihres Geschlechts benachteiligt sehen.
Dieser konkrete Fall ist mir ebensowenig bekannt wie die von Ihnen mehrfach erwähnte Quotenregelung (mutmaßlich eines Bundeslandes) in Ihrer konkreten Ausgestaltung. Schon deshalb und mangels Informationen über die Anwendung der maßgeblichen Norm kann ich das Ergebnis in ihrem Fall nicht bewerten.
Allgemein kann ich Ihnen mitteilen, daß Gerichte schon vielfach ausgesprochen haben, daß - entgegen Ihrer Annahme - Frauenförder-Regelungen des Bundes wie auch der meisten Bundesländer vereinbar sind mit dem Grundgesetz und Europäischem Recht (Art. 3 Abs. 2 + 3, Art. 33 Abs. 2 GG; Art. 2 Abs. 1 + 4 der EWGRL 76/207): z.B. EuGH, NJW 2000, 1549-1553; OVG NRW, GiP 2005, Nr 1, 40; Schl.-Holst. VG, Beschluss vom 12.4.2004, Gz. 16 B 29/04 (juris); LAG Berlin NZA-RR 1997, 115-120; VG Wiesbaden 10.05.2006, Gz: 8 E 505/05 (2): juris; VG Frankfurt, NVwZ 2001, 45.
Danach darf ein Dienstherr erst, wenn eine Einzelfallprüfung mehrerer Bewerber eine im wesentlichen gleiche Eignung ergibt, danach das Hilfskriterium entscheidend heranziehen, Frauen in Arbeitsbereichen, wo sie bisher unterrepräsentiert waren.
Soweit Sie die Unterrepräsentanz mannlicher Erzieher bzw. Lehrer in Kitas und Grundschulen ansprechen, wäre ein hierfür zuständiger Landesgesetzgeber wohl grundsätzlich frei, entsprechende Förderregelungen zu schaffen.
Mit freundlichen Grüssen
Hans-Christian Ströbele