Frage an Hans-Christian Ströbele von Mark F. bezüglich Bildung und Erziehung
Bildungsgerechtigkeit steht auf allen Fahnen.
Das Ziel wird m. E. nie vollständig erreicht werden können, weil Bildungsangebote weiterhin nicht unerhebliche finanzielle Beiträge von Eltern verlangen (Schulbücher, Unterrichtsmaterialien, Nachhilfen, Kita-gebühren etc.). Hierdurch werden gerade diejenigen benachteiligt, die Förderung im Regelfall am Nötigsten haben.
Was spricht dagegen, Sozialleistungen wie z. B. das Kindergeld abzuschaffen oder radikal zu kürzen, hierfür aber allen Kindern kostenlosen Zugang zu allen Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten zu gewähren?
Mit freundlichen Grüßen
Mark Freese
Sehr geehrter Herr Freese,
Sie haben recht, Bildungsgerechtigkeit fordern alle, aber entsprechend handeln, tun nur wenige. So werden in Berlin mit dem neuen Schuljahr in meinem Wahlkreis die Klassen in der Grundschule weiter größer. Selbst in einem Problembereich, in dem in einer Klasse von 24 Schülerinnen und Schülern 23 aus Migrantenfamilien kommen, wird jetzt die Schülerzahl in der Klasse auf 29 Schülerinnen und Schüler heraufgesetzt.
Eine individuelle Förderung einzelner Schüler wird damit erheblich erschwert. Es ist also richtig und v.a. auch dringend nötig, mehr Geld in Bildungseinrichtungen, wie z.B. Grundschulen, zu investieren. Statt das Kindergeld um ein paar Euro zu erhöhen, wie es die große Koalition getan hat, sollten mehr kostenlose Kita-Plätze und kostenloses Schulessen für arme Kinder zur Verfügung gestellt werden. Denn so kann das Geld an der richtigen Stelle wirken.
Noch schlimmer ist allerdings, dass die Kindergelderhöhung sowohl an Hartz IV-Empfängern als auch an Alleinerziehenden vorbeigeht, da der Zuschlag auf andere Leistungen angerechnet wird. Beim Bezug von Hartz IV- Leistungen würden diese genau um den Betrag der Kindergelderhöhung gesenkt. Alleinerziehende haben ähnliche Probleme, denn bei ihnen wird das Kindergeld voll auf die Unterhaltsleistungen angerechnet, die sie vom geschiedenen Elternteil erhalten. Dagegen ist es häufig so, dass reichere Familien den Betrag von 154 Euro Kindergeld kaum wahrnehmen und auch von einer Erhöhung nicht viel haben. Die Stimmen werden deshalb lauter, das Kindergeld nach dem Einkommen gestaffelt auszuzahlen.
Das Kindergeld jedoch ganz abzuschaffen oder radikal zu kürzen, halte ich für falsch. Kinder brauchen nicht nur freien Zugang zu Bildungs-, und Freizeiteinrichtungen, sondern auch Essen und Trinken, Kleidung und Wohnung, Seife, Zahnpasta und Wasser und vieles andere für das tägliche Leben Notwendige. All das aber können viele Familien mit geringem Einkommen nur bezahlen, wenn sie auch das Kindergeld dafür einsetzen.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele