Frage an Hans-Christian Ströbele von Carsten A. bezüglich Innere Sicherheit
Hallo Herr Ströbele,
wie stehen Sie zu der Klage des Prof. Schachtschneider zum Thema EU-Vertrag/Todesstrafe ?
Es gab dazu kürzlich auf Focus-Online ein Interview mit ihm:
http://www.focus.de/finanzen/news/money-debatte-tyrannis-oder-despotie_aid_427414.html
Wie beurteilen Sie das als Jurist?
mit freundlichen Grüßen
Carsten Achilles
Sehr geehrter Herr Achilles.
Die Auffassung von Prof Schachtschneider teile ich nicht.
Die Behauptung, daß die EU-Verfassung bzw. der Lissabon die Wiedereinführung der Todesstrafe möglich machen, wird seit der Diskussion über die EU-Verfassung immer wieder aufgestellt. Ich habe dazu mehrfach Stellung genommen und dargestellt, daß die Begründung rechtlich nicht haltbar ist. Sie beruht darauf, daß das 6. und 13. Zusatzprotokoll zu der Menschenrechtskonvention, durch die die Todesstrafe ausdrücklich aabgeschafft wurde, nicht berücksichtigt wird.
Die Europäische Menschenrechtskonvention stammt aus dem Jahr 1950. Seit den fünfziger Jahren ist sie in der Bundesrepublik bereits in Kraft und unmittelbar geltendes Recht, also überhaupt nicht neu. Sie enthält viele wichtige Garantien von Menschen- und Verfahrensrechten. Sie lässt tatsächlich unter bestimmten Umständen die Todesstrafe zu. Dies war der Kompromiss zu diesem Punkt, der damals zum Zeitpunkt der Erarbeitung der EMRK, als es in mehr Ländern noch die Todesstrafe gab, erreicht werden konnte. Dies war jedoch für andere Staaten wie die Bundesrepublik inakzeptabel. Daher sind dann in der Folge zwei Zusatzprotokolle zur EMRK verfasst worden, mit denen die Todesstrafe unter allen Bedingungen abgeschafft wird. Dabei handelt es sich um das 6. und das 13. Zusatzprotokoll. Deutschland und eine Zahl der Europarats-Mitglieder haben diese beiden Protokolle unterzeichnet und ratifiziert. Damit haben sie sich zu einem höheren Schutz verpflichtet, als von der EMRK vorgesehen. Durch Art 102 Grundgesetz ist die Todesstrafe abgeschafft. Eine Wiedereinführung wäre nicht nur mit diesem Artikel, sondern auch mit Art. 1 GG nicht zu vereinbaren.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele