Frage an Hans-Christian Ströbele von Margarete R. bezüglich Gesundheit
Lieber Her Ströbele,
ich werde mit meiner Erststimme Sie wählen (wie gut, dass Sie kandidieren!) und mit meiner Zweitstimme erstmalig in meinem Wählerleben auch die GRÜNEN und nicht mehr die SPD, soviel vorab.
Als Krankenschwester bin ich so erbost darüber, dass Ulla Schmidt in einer Nacht- und Nebelaktion die Zugangsvoraussetzungen zu der Ausbildung in den Pflegeberufen (Kranken- und Altenpflege) gesetzlich auf Hauptschule reduziert hat. Die Vorgehensweise von Ulla Schmidt (und der hinter ihr stehenden Lobby der Ärzte und Krankenhausbetreiber) spricht jeder demokratischen Zusammenarbeit mit den Leistungserbringern in der Pflege Hohn.
Wie werden Sie sich zu den notwendigen Reformen in der Pflegeausbildung und den erforderlichen Änderungen der Ausbildungsgesetze positionieren? Wie ist die Postion der Grünen im Hinblick auf die Gewinnung der zukünftig nötigen pflegerischen Fachkräfte zur Versorgung der Bevölkerung?
Dazu bitte kein Gesalbader über ´so einen wertvollen Beruf´ und keine ´Imagekampagnen´ sondern Fakten: Verbsserungen in den Arbeitsbedingungen, Verbesserung der Ausbildung , Ermöglichung von Frauen- und familienfreundlicher Beschäftigung, Mindestlohn in den nicht tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnissen in der Pflege, etc., etc.
Grüße
Margarete Reinhart
Liebe Frau Reinhart
Danke für Ihre Wahl bei der Wahl. Ich bitte um Nachsicht, daß ich erst jetzt zur Beantwortung Ihrer Zuschrift komme: In der Reform der Pflegeausbildung sehe auch ich die nächste große Aufgabe in der kommenden Legislaturperiode.
Die jetzt beschlossene Absenkung der Zugangsvoraussetzungen zur Krankenpflegeausbildung auf Hauptschulniveau wird weder den Pflegeberuf attraktiver machen, noch lässt sich dadurch eine qualitative Aufstockung der Pflegeberufe herstellen. Ohnehin rangiert heute Deutschland im europäischen Vergleich auf den unteren Plätzen hinsichtlich des Zugangsniveaus zur Pflegeausbildung. In den meisten europäischen Staaten ist dies an akademische Zugangsvoraussetzungen gebunden.
Was wir in diesem Sektor brauchen, sind gut ausgebildete Fachkräfte, für deren Ausbildungsgang bestimmte Eingangsvoraussetzungen gelten sollten. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Gesundheits- Kranken- und Altenpflege erfordert eben auch ein zunehmendes Maß an fachlicher Kompetenz und Qualifikation. Wie ich aus den gesundheitspolitischen Debatten bei den Grünen weiß, klagen heute schon viele Ausbildungsstätten über das geringe Qualifikationsniveau der Bewerber/innen für diese Berufe. Es dürfte niemanden überraschen, dass unter den heutigen Systembedingungen Hauptschulabschlüsse wahrscheinlich nur in Ausnahmefällen hierfür ausreichend wären. Dennoch sollten Bewerber mit Hauptschulabschluss nicht generell vom Zugang für Pflegeberufe ausgeschlossen werden.
Im Land Berlin wurde 2003 die einjährige Krankenpflegehilfeausbildung abgeschafft. Ich sehe in der Wiedereinführung dieses Ausbildungsganges einen geeigneten Weg für Hauptschüler, um eine Berufseignung und damit Einstiegsvoraussetzungen für einen dann zu absolvierenden qualifizierten Ausbildungsgang beschreiten zu können. Dazu aber müsste die Ausbildung über den Umfang einer 200 Stunden Basisqualifikation hinausgehen.
Insgesamt setzen sich die Grünen darüber hinaus für eine grundsätzliche Neustrukturierung der Ausbildung in den Pflegeberufen im Sinne eines durchgehend gestuften Ausbildungssystems ein. In einem gestuften System wird jedem/r entsprechend ihrer/seiner Qualifikation ohne bürokratische Hürden der Einstieg in den Pflegeberuf sowie eine Weiterqualifizierung bis hin zum akademischen Abschluss ermöglicht. Vor allem ist hier auch ein Schwerpunkt auf Weiterbildung im Beruf zu legen. Dieser Qualifikationsaufbau schafft eine sinnvolle Balance zwischen der Gewinnung neuer Bewerber/innen unter Beachtung auch der beschäftigten, die in ihrem Job auf Weiterbildung angewiesen sind.
Damit zukünftig noch genügend Pflegekräfte zur Verfügung stehen, müssen die Pflegeberufe auch attraktiver gestaltet werden. Hierzu gehört auch eine Neuaufteilung der Aufgabenbereiche bei den Heilberufen, die den Anforderungen des zukünftigen Bevölkerungsbedarfs gerecht werden soll. Ebenso mehr Handlungs- und Entscheidungskompetenzen für Pflegekräfte und zum wiederholten Male Weiterbildung. Eine faire, dem Leistungsanspruch entsprechende Bezahlung sowie die Einführung eines Mindestlohnes für die nicht tarifgebunden Beschäftigten sind ebenfalls wesentliche Bausteine für eine berufliche Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufes.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele