Frage an Hans-Christian Ströbele von Martin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Lieber, verehrter Herr Ströbele,
Im BND-Untersuchungsausschuss hat die Opposition der Schröder-Regierung vorgeworfen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) den Amerikanern "militärisch kriegsrelevante Informationen aus Bagdad an das US-Hauptquartier in Katar übermittelt" habe und damit entgegen ihren Beteuerungen den Irak-Krieg unterstützt habe.
Meine Fragen an Sie:
(1) Warum sind solche Vorwürfe heutzutage noch relevant? Der US-Krieg gegen den Irak ist zu großen Teilen von deutschem Gebiet aus geführt worden, insbesondere über den Stützpunkt Ramstein, mit Erlaubnis der Bundesregierung (aufgrund des NATO-Truppenstatuts, vgl. z.B. http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1602 ). Ohne die US-Einrichtungen auf deutschem Boden, sowie die Benutzung von Zivilflughäfen (wie etwa Leipzig-Halle) wäre die Kriegsführung viel schwieriger geworden. Dass die Bundesregierung den Amerikanern (aus Gründen der Bündnistreue) helfen wollte, ist also evident, denn sie hätte den USA die Nutzung der Einrichtungen in Deutschland für völkerrechtswidrige Aktionen verbieten können (das Völkerrecht steht ja über dem NATO-Truppenstatut). Ist die mögliche Hilfe über den BND im Vergleich dazu nicht vernachlässigbar?
(2) Der US-Angriff war im völkerrechtlichen Sinne eindeutig ein Verbrechen (ungeheuren Ausmaßes -- mit mehr als 100,000 Toten). Wäre es nicht strenggenommen nötig, die damalige Bundsregierung wegen Beihilfe zu einem Verbrechen juristisch zu belangen, wenn nötig vor einem internationalen Gericht? (Ich weiß, dass es aus mancherlei Gründen als nicht opportun angesehen werden könnte, aber ich frage Sie als furchtlosen Juristen, ob es aus juristischer Perspektive nicht eigentlich nötig wäre.)
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath (Leipzig)