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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Frederic G. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Frederic G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Ströbele,

bekanntermaßen leben wir in Deutschland in einem laizistischen Staat. In letzter Zeit sind mir aber Zweifel an dieser Tatsache gekommen.

Die Kirchen betreiben wie sie wissen soziale Einrichtungen wie Kindergärten oder Altersheime. Sie tragen im Vergleich zur öffentlichen Hand wenig zum Budget bei und haben trotzdem das „Sagen“. Um dort beschäftigt zu sein, muss man Mitglied der entsprechenden Konfession sein.

In einigen Fällen wurde konfessionslosen Mitarbeitern gekündigt oder gar nicht erst eingestellt. Von den Arbeitsgerichten wurden diese Maßnahmen auch für rechtens erklärt.

In meinen Augen werden Grundrechte mit Füßen getreten. Liegt hier nicht ein Verstoß gegen das Grundgesetz vor? Und warum gehen Gerichte nicht konsequent dagegen vor?

Ihre Meinung würde mich sehr interessieren.

Mit freundlichen Grüßen
Frederic Graeb

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Graeb.

Sie haben recht damit, daß der laizistische Staat in Deutschland nicht immer konsequent durchgesetzt und Realität ist. Dafür gibt es viele Beispiele von der Kirchensteuer bis zu Kreuzen in Gerichtssälen und Klassenzimmern staatlicher Schulen. Ich habe mich in meiner juristischen Tätigkeit als Rechtsanwalt auch immer wieder dafür eingesetzt, diese Errungenschaft der Aufklärung und der französischen Revolution durchzusetzen.

Richtig ist auch, daß in kirchlichen sozialen Einrichtungen besondere Regeln gelten, weil diese als sog. Tendenzbetriebe gelten. Nicht richtig ist, daß das eine Besonderheit ist, die nur für kirchliche Betriebe gilt. Auch Zeitungsverlage oder parteigebundene Firmen oder Arbeitgeber können solche Tendenzbetriebe sein, für die einige Regeln der Arbeitsrechts zum Schutz für Arbeiter und Angestellte nicht voll zur Anwendung kommen.
Aber es ist nicht so, daß in solchen Einrichtungen Grundrechte mit Füßen getreten werden dürfen. Grundsätzlich gelten auch in diesen Einrichtungen die allgemeinen Gesetze und selbstverständlich auch die Grundrechte. Abweichungen sind nur sehr eingeschränkt möglich und nur insoweit, als sie konkret aus der besonderen "Tendenz" des Betriebes gerechtfertigt werden können. Ob das der Fall ist, ist arbeitsgerichtlich überprüfbar.
Aber ich gebe Ihnen recht, umso mehr eine kirchliche Einrichtung aus Steuermitteln also vom Staat finanziert wird, umso mehr sollte sie auch an alle staatlichen Regelungen gebunden sein und umso weniger sollte sie Sonderrechte in Anspruch nehmen dürfen. Auch dafür habe ich mich immer auch in Arbeitsgerichtsverfahren eingesetzt.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele