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Hans-Christian Ströbele
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Frage von Dr. Rolf S. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Dr. Rolf S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ströbele,

mit den folgenden Fragen sollen Mängel in der Justiz benannt werden, die unbedingt zu verbessern wären:
1) Würden Sie sich dafür einsetzen, dass alle Sachverständigen - auch die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen -, die vor Gericht schriftliche oder mündliche Aussagen machen, vom Gericht vereidigt werden?
2a) Sollten nicht alle Aussagen von Zeugen und von Sachverständigen sowie Vorträge der Prozessparteien und sonstige Äußerungen in allen Verhandlungen eines Gerichtsverfahrens genau protokolliert bzw. als Tonträgeraufnahme - die Beweiskraft haben muss - festgehalten werden, um transparente und faire Gerichtsverfahren zu erzielen?
2b) Würden Sie die von Rolf Bossi in seinem Buch: "Halbgötter in Schwarz" geäußerte Meinung unterstützen, dass es zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit dringend erforderlich ist, dass alle Verfahren mindestens von einer weiteren Instanz auch bezüglich des Tatbestandes überprüft werden können?
3a) Wollen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN etwas dafür tun, damit auch Richter für ihr Fehlverhalten bei der Ausübung ihres Amtes zur Verantwortung gezogen werden?
3b) Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gesetzgeberisch etwas tut, damit der Bundesgerichtshof den § 339 StGB (Rechtsbeugung) nicht mehr völlig übertrieben restriktiv zu Gunsten der Richter auslegen kann, wie es bisher leider erfolgt?
4) Würden Sie sich dafür einsetzen, dass der Bundestag den § 839 BGB (Haftung bei Amtspflichtverletzung) so ändert, dass er im Einklang mit Art. 34 unseres Grundgesetzes und des europäischen Rechtes(?) steht? Kann der Abs. 2 des § 839 BGB dazu nicht einfach ersatzlos gestrichen werden?

Mit freundlichen Grüßen
R. Schmidt

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schmidt,

namens Herr Ströbele danke ich für Ihre fachkundigen Fragen und beantworte diese wie folgt :

1) Nein. Ein Eid, den öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige i.ü. bereits allgemein abgelegt haben, kann sich nur auf die tatsächliche ´Wahrheit´ einer (sachverständigen) Aussage beziehen. Doch diese wird von den Prozeßbeteiligten meist gar nicht bezweifelt ( so sie sich überhaupt ermittelt ließe), sondern vielmehr die vom Sachverständigen vorgenommene Bewertung des Beweisthemas. Das wiederum ist nicht nach den Kriterien wahr/unwahr dem Eide zugänglich.

2a) Im Rahmen der Straßprozeßordnungs-Novelle während dieser Wahlperiode habe ich mich für eine Tonband-Protokollierung eingesetzt, da die derzeitige Protokollierung zu wünschen übrig läßt. Doch die maßgeblichen Justizverwaltungen der Länder haben dies aus finanziellen Gründen abgelehnt, weshalb diese Neuerung im Bundesrat nicht durchgesetzt werden könnte. In sonstigen Verfahren halte ich die derzeitige Protokollierung, welche auf Antrag der Beteiligten ja je spezifiziert werden kann, grundsätzlich für ausreichend. Eine Protokollierung von Aussagen der Prozeßparteien im Zivilprozeß halte ich nicht für nötig, da dieser ohnehin weitgehend schridtlich geführt wird und dem sogen. Beibringungs- und nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz folgt : d.h. verhandelt werden nur die Tatsachen, welche die Parteien in das Verfahren einbringen wollen.

2b) Das erscheint wünschenswert, muß aber gerade bei geringeren Streitgegenständen (v.a. im Zivilrecht etwa der sprichwörtliche Nachbarstreit um den Gartenzwerg im Vorgarten; der Einspruch gegen ein verkehrsrechtlichen Bußgeldbescheid; das Strafverfahren gegen den "Eierdieb" usw) abgewogen werden gegen den Verfahrensaufwand, welche die Steuerzahler anteilig zu tragen haben, wenn die von den Verfahrnesbeteiligten zu tragenden Gerichtskosten mehrerer Instanzen nicht die tatsächlichen Kosten decken.

3) Der Straftatbestand der Rechtsbeugung erscheint dafür ausreichend und dessen praktische Anwendung nicht zu restriktiv. Denn andererseits soll die wertvolle Unabhängigkeit der Richter und der Rechtsprechung gewahrt bleiben.

4) Die von Ihnen angedeutete Kollision von § 839 BGB mit Art. 34 GG und europäischen Recht vermag ich nicht zu erkennen. Verbesserungen bei der Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen der Bürger und Bürgerinnen durch Reformen der Staatshaftungsregelungen sind laufend zu prüfen. Eine Erweiterung der persönlichen Beamtenhaftung durch Streichung des § 839 Abs. 2 BGB erscheint jedoch nicht angezeigt. Soweit dadurch für die Folgen ´nur´ rechtswidriger Verwaltungsakte persönlich gehaftet würde, ist derlei schon heute v.a. auf dem Verwaltungsrechtswege überprüfbar und durchsetzbar.

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Christian Busold

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Christian Busold
Büro Hans-Christian Ströbele, MdB