Frage an Hans-Christian Ströbele von Julian K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ströbele,
Am 1. Mai habe ich in Berlin an der Demonstration des revolutionären 18-Uhr-Bündisses teilgenommen und war zunächst angenehm überrascht von der Zurückhaltung der Berliner Polizei. Ich war eher im hinteren Teil der Demo, habe daher nichts mitbekommen von den sicherlich dagewesenen und ritualisierten Stein- und Flaschenwürfen von ein paar Wohlstandkiddies in Markenklamotten auf Beamte.
Wer so etwas macht, darf sich meiner Meinung nach nicht über ein Echo in Form von Polizeiübergriffen beschweren.
Was aber dann geschah war übertraf so ziemlich alles, was ich an Polizeigewalt bisher erlebt habe( auf mind. 90 Demos und Kundgebungen):
-Prügelorgien gegen friedliche Teilnehmer der Demo(u.a. gezielte Fausthiebe gegen den Bauch einer schwangeren Frau, Schläge mit dem Knie gegen Köpfe von auf der Straße-sitzenden friedlichen Hippies, brutale Übergriffe auf bereits festgenommene und daher wehrlose Demonstranten, grundloses Verprügeln von friedlichen Demonstanten)
-willkürliche Zerstörung von Bannern, Plakaten, Schildern
-ständige Provokationen, Rempeleien, rücksichtloses Verhalten
(Für alle die das bestreiten: Ich habe dies alles mit eigenen Augen gesehen)
Zusammengefasst:
Völlig ausrastende Krawallhooligans aus dem ganzen Bundesgebiet in Polizeiuniformen die jedem autoritärem regime gut zu Gesicht gestanden hätten.
Wann, frage ich sie, kommt endlich die Kennzeichnungspflicht für Beamte?
Was kann man gegen die weitgehende Amnestie für gewalttätige Polizisten tun?
Wann wird endlich im deutschen Polizeiapparat aufgeräumt?
Wie passt solch ein staatlicher Aggressor in unsere ach so tolle freiheitlich-demokratische Grundordnung?
Ich hoffe sie können mir Antworten geben und speisen mich nicht mit den üblichen Phrasen ab.
Mit pazifistischen und solidarischen Grüßen
Julian Karl
Sehr geehrter Herr Karl.
Auch ich war da am 1. Mai und habe die Demonstration am Abend von Anfang bis Ende gegen 22,40 Uhr begleitet. Ich habe Gewalt gesehen auf beiden Seiten, sowohl Steinewürfe als auch Knüppeleinsätze. Als ich vom Kotti wegfuhr, war rund um das Kreuzberger Zentrum die Straße übersäht mit Hunderten von Steinen, Scherben und zerschlagenen Gehwegplatten.
Für die Kennzeichnung der eingesetzten Polizeibeamten haben wir uns stets eingesetzt. Leider sind diese Bemühungen trotz vieler richtiger Argumente bis heute an der Rücksicht am Widerstand vor allem der Polizeigewerkschaft gescheitert. Ich fürchte, daran wird sich in naher Zukunft auch nichts ändern. Jedenfalls hat die Polizeigewerkschaft in einer Presseerklärung mit Hinweis auf diesen 1. Mai nochmal heftig gegen solche Pläne protestiert.
Eine gesetzliche Amnestie für Polizisten gibt es selbstverständlich nicht. Aber kommt es mal zu Strafverfahren, scheitern diese in der Regel an Beweisschwierigkeiten. Ich habe in den Jahrzehnten meiner Tätigkeit als Strafverteidiger damit viele traurige Erfahrungen gemacht. Deshalb ist es notwendig auf Demonstrationen, Übergriffe fotographisch oder durch Notieren von Zeugen beweisbar zu machen. In London wurden so etwa bei der Demonstration gegen den G-8-Gipfel Erfolge erzielt.
Mit freundlichem Gruß
Ströbele