Frage an Hans-Christian Friedrichs von Sebastian H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Friedrichs,
in Deutschland ist aktuell eines von nur wenigen Ländern auf dem Globus, in dem es keine generelle Geschwindigkeitshöchstgrenze auf Autobahnen gibt. Auch innerorts ist Tempo 50 teilweise an Stellen die insbesondere für Kinder gefährlich sind.
Meine Frage nun an Sie, was Sie von einem neuen Verkehrsleitbild hielten, welches die Geschwindigkeiten auf Deutschland Straßen stärker senkt und somit zum mehr Verkehrssicherheit und Klimaschutz durch weniger Abgase beitragen würde? Was würden Sie, bzw. Ihre Fraktion hierzu im Bundestag unternehmen?
Ich danke Ihnen vielmals für die Beantwortung meiner Frage!
Herzliche Grüße,
Sebastian Heilmann
Sehr geehrter Herr Heilmann,
zum Thema Tempolimit muss ich Ihnen gleich eine klare und vielleicht radikale Antwort zu meinen Vorstellungen geben:
- Innerorts Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit mit Ausnahmen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen,
- 80 km/h außerorts und
- 100 km/h auf Autobahnen.
Das Ziel der EU, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 um die Hälfte zu verringern, wird verfehlt werden. Wir brauchen ein neues Verkehrsleitbild, das null Verkehrstote ("Vision Zero") als Ziel definiert und die Verkehrssicherheitsarbeit auch und gerade mit den Verbänden an diesem Ziel ausrichtet. Wir brauchen kurzfristig ein neues Geschwindigkeitssystem von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts (mit Ausnahmen). Gerade in Städten könnte ein kürzerer Bremsweg wegen einer verringerten Geschwindigkeit viele Unfälle mit Kindern vermeiden. Denn bei Tempo 30 kann ein Auto rechtzeitig anhalten, wenn ein Kind 15 Meter vor ihm auf die Straße läuft. Bei Tempo 50 prallt das Fahrzeug nach 15 Metern mit 45 km/h auf das Kind, was Tod oder Schwerstverletzungen zur Folge hat.
Mit 100 km/h auf Autobahnen gehe ich noch über die Forderung meiner Partei von 120 km/h hinaus. Wir wissen, dass der niedrigste Verbrauch bei etwa 90 km/h vorliegt, der Verkehrsfluss bei 100 km/h wesentlich besser ist als bei höheren Geschwindigkeiten, dass die Kapazität einer Straße mit geringeren Geschwindigkeiten höher ist als bei höheren Geschwindigkeiten und dass das gleichmäßige Fahren bei nur 100 km/h wesentlich entspannter funktioniert als bei hohen Geschwindigkeiten. Norwegen hat als reiches und innovatives Land eine Höchstgeschwindigkeit von nur 90 bis 100 km/h auf Autobahnen, die radikal überwacht wird. Selbst in den USA gelten auf den Interstate Highways (vergleichbar mit Autobahnen) Tempolimits zwischen 89 und 129 km/h, die größtenteils eingehalten werden. In beiden Ländern ist das Autofahren auf Autobahnen eine höchst entspannte Angelegenheit, wogegen bei uns ein Überholvorgang mit moderater Geschwindigkeit schon leicht zum Nervenkitzel werden kann, weil extrem schnell heranfahrende Fahrzeuge ihr Recht auf freie Fahrt auch möglichst schnell durchsetzen wollen und oftmals den Tatbestand der Nötigung erfüllen. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass deutsche Autobahnen von vielen VerkehrsteilnehmerInnen als rechtsfreier Raum verstanden werden. Das betrifft Geschwindigkeitsbegrenzungen allgemein, besonders aber in Baustellenbereichen, das dichte Auffahren oder die Nutzung des Standstreifens auf Autobahnen.
80 km/h auf Landstraßen hat den Vorteil, dass es nur noch eine wesentliche Höchstgeschwindigkeit sowohl für Pkw als auch für Lkw gibt. Der permanente psychologische Druck einen vorausfahrenden Lkw überholen zu „müssen“ entfiele. Der Verkehrsfluss würde verstetigt werden, die Anzahl schwerer Verkehrsunfälle aufgrund unangepasster Fahrweise würde drastisch zurückgehen.
Die Mobilitätswende beginnt im Kopf. Probieren Sie es einfach mal aus, eine Autofahrt ganz entspannt und mit etwas größerem Zeitbudget anzutreten – es lohnt sich.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Christian Friedrichs