Frage an Hans-Christian Friedrichs von Adolf T. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Friedrichs,
Als im vorigen Jahr Banken mit horrenden öffentlichen Geldern gestützt werden mußten, wurde die Unvorhersehbarkeit der Finanzkrise von den Bankern hervorgehoben.
Es gab aber bereits den Bankenskandal in Berlin, der zur Ablösung der CDU-Regierung dort führte und der zur großen finanziellen Klemme des Landes Berlin führte. Unvorhersehbar war die Krise also nicht.
Wenn also die deutschen Banken mit den ihnen anvertrauten Geldern ehrbarer Bürger in unverantwortlicher Weise so spekulierten, daß sie Milliardenverluste einfuhren, ist das für mich ein Diebstahls- und Betrugsdelikt. Denn ich habe der Bank keinesfalls die Erlaubnis gegeben, meine Einlagen in dubiosen Auslandsgeschäften zu verzocken.
Wie stehen Sie zu der fehlenden Bankenaufsicht? Trifft für Sie ein Teil der Schuld an der Misere auch die Regierungen, die den Banken unstatthafte Freiheiten ließen? Was ist mit der Zukunft? Soll man es laufen lassen wie bisher und die Bevölkerung die Zeche zahlen lassen? Oder sollten in Fällen krasser Spekulationswut auch empfindliche Haftstrafen für die Verantwortlichen (Manager, Aufsichtsräte, Politiker) verhängt werden?
Mit freundlichen Grüßen
Adolf Tscherner
Sehr geehrter Herr Tscherner,
wenn ich richtig gezählt habe, dann sind das gleich fünf Fragen! Ich will versuchen, diese zusammenzufassen und zu beantworten.
Die Bankenaufsicht funktioniert nicht richtig, soviel steht fest. Hier stand die große Koalition in der Pflicht. Sie hätte gerade angesichts des Berliner Bankenskandals frühzeitig handeln müssen. Das von Helmut Kohl vererbte „Aussitzen“ hat die Krise nur begünstigt. Insofern trifft insbesondere die Regierung der USA, aber auch die unsere zumindest eine moralische Mitschuld an der Misere. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Verflechtungen zwischen Politik und Finanzmacht immens sind.
Die Geburtstagsfeier für Herrn Ackermann im KanzlerInnenamt ist da nur die Spitze des Eisbergs, Herr Ackermann und MitstreiterInnen hätten stattdessen doch besser „beaufsichtigt“ werden sollen. Nein, Herr Tscherner, wir müssen dafür sorgen, dass der Staat Einfluss auf die Geschäftspolitik der Banken nimmt und beispielsweise die Zusammenarbeit der Banken mit Steueroasen stoppt, mehr Einfluss auf die Gehälter und Boni nimmt oder einem besseren Umgang mit AnlegerInnen mehr Raum gibt.
Die Bundesregierung setzt auf freiwillige Lösungen. Bankvorstände handeln aber im Interesse ihrer Aktionäre und nicht im Interesse der Volkswirtschaft. Wenn schwache Banken zur Gefahr für die Volkswirtschaft werden, dann muss die Politik die Entscheidung über ihre Stabilisierung treffen. Die Bundesregierung hat das Rettungspaket bereits zweimal nachgebessert (Möglichkeit zur Verstaatlichung und Bad-Bank-Gesetz). Wir wollen eine Lösung abseits von Einzelfallentscheidungen. Deswegen brauchen wir einen grundsätzlichen Strategiewechsel, zum Beispiel mit verpflichtenden Stresstests für die Banken. Wenn sich herausstellt, dass sie beispielsweise eine größere Zahl an Kreditausfällen nicht verkraften können, müssen sie neues Geld aufnehmen, um erstens wieder Kredite vergeben zu können (wichtig zur Bekämpfung Kreditklemme) und um zweitens durch ihren schlechten Zustand nicht zu einer Gefahr für die gesamte Volkswirtschaft zu werden.
Noch nie haben so wenige Menschen in Deutschland über die Verwendung so vieler Steuergelder entschieden wie bei der Bankenrettung. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit und weitgehend ohne parlamentarische Kontrolle entscheidet ein kleiner Zirkel. Wie es anders geht, zeigen – man höre und staune - die USA: Dort wird über die Verwendung jedes Dollars im Internet berichtet. Grüne Politik steht für einen transparenten Umgang mit Steuergeldern ohne Hinterzimmer-Mauscheleien. Merkel und Steinbrück sagen zwar, sie wollen eine neue Finanzarchitektur, in Wahrheit wollen sie aber in Zustände zurück, wie sie vor der Krise geherrscht haben. Die waren jedoch schlecht, zum Beispiel beim Verbraucherschutz. AnlegerInnen verlieren jedes Jahr Milliarden wegen unpassender und schlechter Finanzprodukte. Ohne mehr Verbraucherschutz wird es kein neues Vertrauen in das Bankensystem geben. Wir Grüne sind die Partei mit der höchsten Kompetenzzuschreibung beim Verbraucherschutz.
Grüner Verbraucherschutz ist nicht nur gesundes Essen und giftfreies Spielzeug, sondern schließt die Bankenpolitik mit ein: Transparente Kostenstrukturen bei Anlageprodukte, Beweislast beim Anbieter des Finanzprodukts in Streitfällen, mehr Honorarberatung, Förderung von nachhaltigem Investment sind nur einige Punkte.
Banken müssen durch eine klare Gesetzgebung, ähnlich wie bei den Sparkassen, dazu gezwungen werden, verantwortungsvoll mit den Einlagen ihrer KundInnen umzugehen. Wer diese Spielregeln nicht einhält, muss selbstverständlich auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Christian Friedrichs