Frage an Hans-Christian Friedrichs von Matthias D. bezüglich Verkehr
Sehr gehrter Herr Friedrichs,
Im Niedersachsen werden derzeit die Küstenautobahn A 22 mit Fortführung zur A 20 sowie die A 39 (Lüneburg - Wolfsburg) geplant bzw. in Teilstücken gebaut.
Frage 1:
Stehen diese beiden Autobahnprojekte im gegenseitigen Wettbewerb, was die Finanzierung anbelangt?
Frage 2:
Ist es angesichts der offensichtlichen Unterfinazierung der öffentlichen Haushalte verantwortbar, neue Straßenbauprojekte zu planen?
Frage 3:
Können Sie sich Alternativen zu den genannten Verkehrsprojekten vorstellen?
Hallo Herr Dammann,
vielen Dank für Ihre drei klaren Fragen zur A22 und A39.
1. Stehen diese beiden Autobahnprojekte im gegenseitigen Wettbewerb, was die Finanzierung anbelangt?
Selbstverständlich. Die Landesregierung hat ein großes Problem mit den unterschiedlichen regionalen Interessen, gibt aber vor, beide Großprojekte realisieren zu wollen, was angesichts der zur Verfügung stehenden Mittel und eines ebenfalls bestehenden bundesdeutschen Nord-Süd-Interessenkonflikts mehr als unrealistisch ist.
2. Ist es angesichts der offensichtlichen Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte verantwortbar, neue Straßenbauprojekte zu planen?
Das kommt ganz auf den Standpunkt an. Die Landesregierung ist ja ernsthaft davon überzeugt, mit Milliardeninvestitionen in Asphalt Arbeitsplätze zu schaffen und damit das Richtige zu tun. Wir Grüne sehen das allerdings ganz anders: Es ist ein Märchen, dass Straßenbau - insbesondere der von Autobahnen -, außer einem Strohfeuer, langfristig Arbeitsplätze schafft. Damit entfällt das wichtigste Argument der Autobahnbefürworter, etwas Wirtschaftsförderndes zu schaffen. Der Fernstraßenneubau im geplanten Ausmaß stellt sowohl ökonomisch als auch ökologische eine große Hypothek für unsere Kinder dar. Hinzukommt, dass die Prioritätensetzung und die Mittelverteilung auf den Fernstraßenbau nicht zukunftsfähig ist, sie enthält zudem umweltfreundlichen Verkehrsträgern, wie der Bahn, dringend notwendige Mittel zur Ertüchtigung und zum Erhalt der Netze vor.
3. Können Sie sich Alternativen zu den genannten Verkehrsprojekten vorstellen?
Sowohl bei der A22, als auch bei der A39 wurde mit der Veröffentlichung der endgültigen Version des Bundesverkehrswegeplans 2003 mit der Wichtigkeit für die Seehafenhinterlandanbindung argumentiert. Dieses Argument wurde entgegen dem Referentenentwurf nachgeschoben, um den Projekten mehr Nachdruck zu verleihen. Es besteht Grund zur Annahme, dass die den Argumenten zugrunde liegenden Daten nicht der realen Entwicklung entsprachen und die Nutzen-Kosten-Analyse aufgrund nicht berücksichtigter Faktoren, wie beispielsweise der langfristigen Entwicklung der Kraftstoffkosten und –verfügbarkeit, fehlerhaft ist. Nimmt man noch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise hinzu, kann unmöglich weiter so verfahren werden, wie 2003 geplant. Inzwischen ist eine grundlegende Neubewertung u. a. beider oben genannter Verkehrsprojekte erforderlich, und zwar unter wirklicher Einbeziehung von Alternativen. Diese können vom P0-Fall, also dem Verzicht einer Maßnahme, bis zur Ertüchtigung alternativer Verkehrsträger, wie beispielsweise der Schiene, reichen.
Statt eines Baus der A22, kann ich mir eine Ertüchtigung des EVB-Netzes vorstellen, die den Güterverkehr, besonders im Container-Bereich, zwischen den Seehäfen Hamburg und Bremerhafen verbessern würde. Betrachten wir im Bereich der A39 den gesamten Suchraum, den so genannten „Hosenträger“, dann fällt gerade im Bereich Nordostniedersachen und der Altmark der absolut desolate Zustand der Bahninfrastruktur auf. Güter, die potentiell im Seehafenhinterlandverkehr über die Autobahnen A14 und A39 transportiert werden sollten, könnten ebenso auf den wichtigen Nord-Süd- und Nordwest-Südost-Relationen über ein intaktes Bahnnetz transportiert werden. Die Instandsetzung und Optimierung der skizzierten Bahnnetze muss auch immer mit einer Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) einhergehen. Das betrifft beispielsweise die Wendlandbahn bzw. die Buchholzer Bahn, den Erhalt der Ostheide-Elbe-Bahn, der Ohretalbahn, der Erhalt und die Reaktivierung weiterer OHE-Strecken wie Bleckede – Lüneburg oder Soltau – Amelighausen – Lüneburg bzw. Winsen und diverser Strecken in der Altmark bis hin zum Wiederaufbau einer Elbquerung bei Dömitz, um nur einige zu nennen.
Ich hoffe Ihre Fragen ansatzweise beantwortet zu haben, stehe aber gerne für eine Detaildiskussion zur Verfügung.
Mit freundlichem Gruß
Hans-Christian Friedrichs