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Gustav Herzog
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Frage von Horst K. •

Frage an Gustav Herzog von Horst K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Herzog,
nachdem am 18.11.2020 das "3. Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" ansteht, die entscheidende Grundgesetze aushebeln wird, bitte ich Sie und die Fraktion der SPD um eine Fakten- und Gewissensbasierte Abstimmung. Gibt es bei so einer fundamentalen Abstimmung, bei der es um extremste Einschränkungen von wichtigen Grundgesetzen geht, eigentlich so etwas wie einen Fraktionzwang?- da mir die Abstimmungen innerhalb der Fraktion, gefühlsmäßig immer etwas zu einheitlich sind! Auf welcher Grundlage (RKI-Faktenbasiert - zB über offizielle Informationsquellen wie "Dashboard RKI" oder nach dem Bauchgefühl?) treffen sie ihre Abstimmungsentscheidung?
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kirschner,

vielen Dank für Ihre Frage. Jeder*r Bundestagsabgeordnete ist im Grundsatz frei in seiner Entscheidung, wie er oder sie über etwas abstimmt. In der Bundestagsfraktion wird zu allen Punkten, die in einer laufenden Sitzungswoche abgestimmt werden diskutiert und eine gemeinsame Position dazu (per Abstimmung in der Sitzung) gefasst. Da diese Position jeweils demokratisch zustande gekommen ist, sind die Mitglieder der Fraktion angehalten, entsprechend dem Votum auch im Plenum abzustimmen. Wer dies nicht möchte, teilt dies persönlich und begründet dem Fraktionsvorstand mit und stimmt dann im Plenum gegen das Votum der Fraktion ab. Das zum geheimnisumwobenen "Fraktionszwang". Ein Fraktionsvotum an das man sich halten sollte gibt es im Übrigen NICHT bei Abstimmungen, die sehr stark die persönlichen ethischen Vorstellungen betreffen. So z.B. bei der Organspende oder Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Meine Abstimmungsentscheidungen treffe ich nach Abwägung aller mir vorliegenden Fakten und Argumente und habe auch eine umfassende und langjährige gesetzgeberische Erfahrung, um Entwürfe und Anträge verstehen, einordnen und bewerten zu können. Auch die Diskussionen in der Fraktion und den Fachausschüssen sind hilfreich.

Die heutige Verabschiedung der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes begrüße ich sehr! Warum das Gesetz weder das Parlament "entmachtet", noch Grundrechte neu oder stärker einschränkt, erläutere ich Ihnen gerne:

Das Infektionsschutzgesetz in seiner bisherigen Fassung ermächtigte schon immer die Länder, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Eindämmung der Corona-Pandemie mittels Verordnungen festzulegen. Diese Maßnahmen griffen teilweise erheblich in Freiheitsrechte ein – siehe „Lockdown“ im Frühjahr und die vielen Einzelregelungen seither bis hin zum jetzigen „Lockdown light“. All die ergriffenen Maßnahmen fußen auf dem ursprünglichen Infektionsschutzgesetz und sind in der großen Mehrzahl auch höchstrichterlich als verfassungskonform bestätigt worden. Jedoch wurde und wird immer wieder auch von Kritikern wie Befürwortern von einzelnen Maßnahmen bemängelt, dass im Infektionsschutzgesetz bislang zu „dünn“ formuliert ist, was sich der Gesetzgeber unter „geeigneten Maßnahmen“ im Einzelnen vorstellt. Diese Interpretation blieb bis heute den Länderregierungen vorbehalten und führte auch zu den s. g. Flickenteppichen bei Maßnahmen.

Da absehbar ist, dass die derzeitige pandemische Lage noch länger andauern könnte, hat nun der Bundestag die Voraussetzungen UND Grenzen (!) von grundrechtseinschränkenden Maßnahmen gesetzlich präzisiert.

So werden in dem Gesetz mögliche Schutzmaßnahmen beispielhaft konkretisiert, die von den Regierungen der Länder ergriffen werden können, solange der Bundestag (!) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellt. Dazu gehören etwa Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum, die Anordnung eines Abstandsgebots, eine Maskenpflicht oder die Einschränkung des Betriebs bestimmter Einrichtungen. Diese Maßnahmen sind zeitlich befristet (!!) und auf die Bekämpfung von SARS-CoV-2 beschränkt und müssen jeweils sehr gut begründet werden! Ein reiner Verweis auf das Gesetz ist unzureichend. Soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen sind bei jeder einzelnen Maßnahmen ebenfalls zu berücksichtigen. Zudem sollen die Schutzmaßnahmen das jeweilige regionale Infektionsgeschehen berücksichtigten. Mit dem verabschiedeten Gesetzentwurf werden die Handlungsmöglichkeiten der Länder nach dem Infektionsschutzgesetz also nicht ausgeweitet, sondern präziser gefasst und damit insgesamt nachvollziehbarer.

Das also zum Verständnis, warum durch die Gesetzesänderung KEINE Eingriffe in Grundrechte stattfinden können, die nicht auch nach bisheriger Rechtslage möglich waren. Wir wollen nur mehr Rechtssicherheit, klare Leitplanken und mehr Transparenz erreichen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch den immer wieder zu hörenden Vorwurf aufgreifen, das Parlament sei in der Pandemie in einer passiven Rolle. Das stimmt definitiv nicht: Der Bundestag hat seit März in jeder (!) Sitzungswoche zum Thema Pandemie und Maßnahmen diskutiert und entschieden. Von einfachen Anträgen bis zum Milliarden Euro Haushalt.

Mit freundlichen Grüßen

Gustav Herzog