Frage an Gustav Herzog von Pascal S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Herzog,
halten Sie es für weiterhin vertretbar, dass mit der Türkei noch weitere Beitrittsverhandlungen geführt werden nachdem dort ein hinterhältiger Lynchmord an 3 gutgläubigen und großteils zurückhaltenden Christen begangen wurde? Und sich dann die Täter auch noch auf "Vaterland und Glauben" berufen.
Einer der wichtigsten Grundsätze in der EU ist die Glaubensfreiheit. Diese ist, wie dieser Mord belegt, einfach noch nicht in den Köpfen vieler türkischer Islamisten angekommen. Sie scheinen immer noch zu glauben, dass es in der Türkei nur eine Religion geben darf und geben damit den Nährboden für solche abscheulichen Taten. Meiner Meinung nach darf man mit solch einem Land keine Beitrittsverhandlungen führen, bis sich die Toleranz einiger türkischer Mitmenschen nicht grundlegend geändert hat.
Wenn man sich die Sache mal von der anderen Seite her überlegt, dann ist es schon klar was für einen Aufschrei es geben würde wenn noch so radikale Islamisten hier von bibelfanatischen Christen ermordet würden. Dieses Szenario wird mit höchster Wahrscheinlichkeit jedoch nie eintreten, da in einem zivilisierten mitteleuropäischem Land der Nährboden für eine solche Tat nicht gegeben ist.
Ich möchte hier keinesfalls alle Türken über einen Kamm scheren, sie sind größtenteils ein Volk, dass auf ehrlichem Wege versucht sich zu ernähren und zu leben. Es gibt auch viele Bereiche in denen die Mitteleuropäer noch vieles von ihnen lernen können. Jedoch sollte man die Beitrittsverhandlungen auf weiteres stoppen, solang sie sich nicht mit überwiegender Mehrheit tolerant gegenüber anderen Glaubensrichtungen verhalten.
Ich würde mich sehr für ihre Meinung zu diesem Thema interessieren.
Mit freundlichen Grüßen
Pascal St.
Sehr geehrter Herr Stichler,
der Mord an Menschen ist durch nichts zu rechtfertigen. Der von Ihnen dargestellte Fall ist eine Greultat, für die die Täter vom türkischen Staat zur Rechenschaft gezogen werden.
Sie stellen jedoch eine Verbindung zwischen den vermeintlichen Motiven der Täter und dem staatlichen Handeln der Türkei her. Diese direkte Verbindung ist nicht vorhanden, ebenso wenig, wie Sie die Bundesregierung für Taten z.B. von Neonazis in Deutschland verantwortlich machen können. Sie halten politisch/religiös motivierte Taten in Deutschland, bzw Westeuropa für unmöglich? Denken Sie an den Brandanschlag in Solingen, an Nordirland, an das Baskenland!.
Ich stimme mit Ihnen jedoch völlig überein, dass die Türkei (wie viele andere Länder auch) ein großes Land mit sehr unterschiedlichen Strukturen ist. Gerade deshalb ist es wichtig, jene Kräfte, die für Menschenrechte, für die Trennung von Staat und Religion, für Toleranz und Liberalität in der Türkei eintreten zu stützen und zu motivieren. Ein Abbruch von Verhandlungen aus den von Ihnen genannten Gründen würde gerade die fanatischen Islamisten stärken!
Mit freundlichen Grüßen
Gustav Herzog