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Frage von Julian David S. •

Frage an Gustav Herzog von Julian David S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Herzog,

Die katholische und protestantische Kirche bekommen laut dem Spiegel ca. 19 Milliarden Euro jährlich vom Staat, davon über 440 Millionen an Gehältern für Bischöfe, Priester usw. Nicht eingerechnet sind hier die etwa 9 Milliarden Euro an Kirchensteuer, auch die Staatsleistungen für Caritas und Diakonie sind nicht mit inbegriffen.

Diese hohen Geldsummen werden aufgrund einer Vereinbarung über Ausgleichszahlungen zwischen Kirche und Staat aus dem Jahre 1803 (!), also vor knapp 220 Jahren und vor vielen Wechseln der Regierungsform, ausgezahlt.

Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut unserer Gemeinschaft, in einem Land mit über 40% Konfessionslosen und Andersgläubigen ist eine solche, durch alle getragene Finanzierung der Kirche allerdings nicht mehr zeitgemäß. Gerade eine Institution, die bei eigenen Verfehlungen (egal ob vor langer Zeit oder bei neuen Missbrauchsvorwürfen) gerne die "Verjährung" anführt, sollte dies verstehen.

Als Mitglied einer Partei, die für eine stärkere Besteuerung der Reichen, eine gerechtere Verteilung des Vermögens und sinnvolle Investitionen in Bildung, Sozialversorgung und andere wichtige Projekte steht, frage ich Sie hiermit, ob Sie und ihre Partei vorhaben, etwas an diesem nicht hinnehmbaren Zustand zu ändern. Über 40% der Deutschen würden es Ihnen wahrscheinlich danken.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich die Zeit nehmen würden, meine Frage zu lesen und zu beantworten.

Mit freundlichen Grüßen
Julian S.

Quellen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spardebatte-staat-zahlt-442-millionen-euro-fuer-kirchengehaelter-a-699422.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/neue-berechnungen-staat-stuetzt-kirchen-mit-milliarden-a-727683.html
Mir ist bewusst, dass die Artikel mehrere Jahre alt sind. Da sich seither allerdings nichts geändert hat, gehe ich davon aus, dass vielleicht nicht die konkreten Zahlen mit den heutigen übereinstimmen, wohl aber die Größenordnungen.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

besten Dank für Ihre Frage. Der Staat zahlt in der Tat nach wie vor jährlich Geld an die evangelische und katholische Kirche - insofern sind die Beiträge im SPIEGEL nicht veraltet. Diese Zahlungen sind aber keine politisch motivierte Subventionierung der Arbeit der Kirchen, sondern basieren auf den Vereinbarungen von 1803 (wie Sie richtig erwähnen), welche wiederum im unmittelbaren Zusammenhang mit einer großen Säkularisierung von Kirchenbesitz notwendig wurden. D. h. beide Kirchen mussten große Teile ihres Besitzes von Land an den Staat übergeben, welcher sich im Gegenzug zu den jährlichen Ausgleichszahlungen verpflichtet hat. Diese Zahlungen werden heute von den Bundesländern an die Kirchen geleistet. Das Grundgesetz der Bundesrepublik bekennt sich zu dieser Verpflichtung, räumt aber die Möglichkeit einer Ablösung der jährlichen Zahlungen ein.

Diese Ablösung würde aber bedeuten, dass die Beendigung der Zahlungen mit einer einmaligen Entschädigung an die Kirchen verbunden werden müsste. Mehrheitlich wird davon ausgegangen, dass die Kirchen hierbei Anspruch auf mehrere Milliarden Euro hätten – eine Summe, die in den einzelnen Bundesländern wohl nur schwer vermittelbar wäre.

Hinzu kommt das Problem, dass die Verfassung nicht nur den Bundestag, sondern auch die einzelnen Landesparlamente zum Handeln zwingt – was eine Lösung erheblich erschwert. Der Bundestag müsste nach allgemeiner Auffassung zunächst ein Grundsätzegesetz erlassen, um den Bundesländern darin einen Rahmen für die Ablösung ihrer Staatsleistungen vorzugeben. Erst danach könnten die Länder in konkrete Verhandlungen mit den Kirchen treten. Doch ein Grundsätzegesetz ist derzeit nicht in Sicht. Ich las kürzlich, dass das Bundesinnenministerium seine Haltung bekräftigt hat, die es schon 2013 und 2014 auf entsprechende Anfragen geäußert hatte: "Die Bundesregierung sieht gegenwärtig keinen Handlungsbedarf, durch ein Grundsätzegesetz die Länder zu verpflichten, die von diesen gewährten Staatsleistungen abzulösen."

Sie sehen, dass eine Beendigung der aktuellen Praxis nicht dazu führen würde, Geld einzusparen.

Mit freundlichen Grüßen,

Gustav Herzog