Frage an Gustav Herzog von Enya H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Herzog,
In den Nachrichten lese und höre ich viel über den Streit der Union über das Vorgehen in der Flüchtlingsfrage. Seehofers Masterplan und seine Drohung, Grenzabschiebungen notfalls im Alleingang per Ministerentscheid durchzusetzen, drohen die Regierungskoalition zu zerreißen.
Mich interessiert die Meinung der SPD zu diesem Thema, da sie als Koalitionspartner "mit im Boot sitzt". Wie würde sie sich im Falle eines Alleingangs Seehofers verhalten? Wie stehen sie persönlich zu diesem Thema?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau H.,
vielen Dank für Ihr Interesse an der Haltung der SPD und meiner persönlichen Meinung zum Thema Flüchtlinge.
Die Positionen der SPD zur Flüchtlingsfrage sind klar und deutlich in unserem Wahlprogramm der Bundestagswahlen 2017 formuliert. Wir bekennen uns eindeutig zum Grundrecht auf Asyl. Jeder Hilfsbedürftige soll auch Hilfe bekommen. Die Zahl dieser Hilfsbedürftigen können wir durch effektive Bekämpfung der Fluchtursachen (zum Beispiel durch Stabilisierungsmaßnahmen sog. „failed states“ und Bürgerkriegsländern) reduzieren.
In den Koalitionsvertrag konnten wir viele Punkte der SPD einbringen. Vor allem war uns wichtig, die Flüchtlingsproblematik innerhalb der EU und nicht im nationalen Alleingang zu lösen.
Genau deswegen befürworten wir Maßnahmen wie die Umsiedlung und Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU, das Ausarbeiten eines europäischen Asyl- und Einwanderungsgesetzes, eine Reform des Dublin-Verfahrens und den Ausbau von Frontex zu einer echten europäischen Grenzschutzpolizei.
Von einem „Masterplan“ ist im Koalitionsvertrag keine Rede.
Deshalb lehnen wir Sozialdemokraten einen nationalen Alleingang ab. Seehofers „Masterplan“ ist uns übrigens bis heute immer noch nicht bekannt.
Als Regierungsmitglied auf Bundesebene Wahlkampf für die CSU in den im Herbst stattfindenden Landtagswahlen Bayerns zu führen, ist mehr als nur verantwortungslos von Herrn Seehofer: Der unionsinterne Streit bremst die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung und des Bundestages und führt zu einer ernstzunehmenden Vertrauenskrise innerhalb der Regierungskoalition!
Ich persönliche hoffe, dass die Union wieder zur Vernunft kommt und gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner, der SPD, wieder an sachlichen Lösungen für ganz Deutschland und die ganze EU arbeitet.
Das ist die Union nicht nur ihrem Koalitionspartner und ihren knapp 12 Millionen Wählern schuldig, sondern auch den 82 Millionen Bürger*innen, für die sie als Regierungspartei mitzuregieren hat.
Mit freundlichen Grüßen
Gustav Herzog