Frage an Gustav Herzog von Volker U. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Herzog,
der "Der Spiegel"-Ausgabe vom 24.3.2018 S. 27 konnte ich entnehmen, daß führende Sozialdemokraten sich massiv für eine Abschaffung der Hartz IV-Gesetze (von einer SPD geführten Regierung unter Kanzler Schröder eingeführt) aussprechen. Karl Lauterbach verbindet damit sogar eine erheblich verkürzte Lebensdauer der davon Betroffenen. Im SWR-Videotext von heute ist zu lesen, dass die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und stv. SPD-Vorsitzende Malu Dreyer eine Abschaffung ebenfalls für möglich hält. Dazu meine Frage, sind Sie für oder gegen die Abschaffung von Hartz IV? Herzlichen Dank für Ihre Antwort.
Sehr geehrter Herr U.,
besten Dank für Ihre Frage zur Debatte innerhalb der SPD um die Zukunft von „Hartz IV“.
Die Überlegungen zur Zusammenführung von der Sozialhilfe aus Steuermitteln und der Arbeitslosenhilfe – ebenfalls aus Steuermitteln – im Rahmen der Agenda 2010 waren von dem Ziel „Fördern und Fordern“ geprägt. Damals ging es auch darum, die vielfach mit Einzelfallprüfung und -bewilligung verbundene Sozialhilfe zu entbürokratisieren und alle Zusatzleistungen im Grundsicherungsbetrag zu summieren. Eine ursprüngliche Konzeption der „Hartz“-Kommission konnte aufgrund der Unions-FDP-Mehrheit im Bundesrat nicht realisiert werden.
In den 15 Jahren des „Hartz IV“-Systems hat es eine ganze Reihe von Reformen gegeben, sowohl durch die Politik, als auch durch Gerichtsentscheidungen. Die Reformdebatte ist deshalb nicht grundsätzlich neu, aber intensiver durch die Einbeziehung von Überlegungen zu einem „Bedingungslosen Grundeinkommen“ (BGE) oder eines „Solidarischen Grundeinkommens“.
Auch steht für mich außer Frage, dass es beispielsweise groteske bürokratische Erscheinungen sind, wenn Bescheide 40 oder mehr Seiten für geringfügige finanzielle Veränderungen umfassen. Es gibt also verschiedene „Baustellen“, die in Bezug auf „Hartz IV“ angegangen werden sollten.
Aber: Die ganze Debatte innerhalb der SPD sollte sich nicht in einer für niemanden hilfreichen „Vergangenheitsbewältigung“ verlieren. Es geht doch eher darum, bei einer fachkräftenachfragenden, florierenden Wirtschaft zu analysieren, warum wir noch immer hunderttausende Langzeitarbeitslose haben. Hinzu kommt, dass es Menschen gibt, die auf dem 1. Arbeitsmarkt aufgrund von persönlichen Einschränkungen nicht vermittelbar sind. Aber auch sie haben nach meiner Einstellung das Recht auf eine würdige, unbefristete Beschäftigung. Die 150.000 Stellen in einem „sozialen Arbeitsmarkt“ sind ein erster Schritt, den die SPD gegen den Willen der Union im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat.
Wir müssen uns die weiteren Hemmnisse genauer anschauen. Sind es mangelnde Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und zu pflegende Angehörige? Fehlen Schulabschlüsse und Berufsausbildung? Müssen gezielt Weiterbildung und Zusatzqualifikationen angeboten werden? Sind die Verkehrsangebote unzureichend?
Das „Fördern“ muss im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft (Stichwort Digitalisierung) neu gedacht werden. Dazu lade ich Sie herzlich ein!
Mit freundlichen Grüßen,
Gustav Herzog