Frage an Gustav Herzog von Philip G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Herzog.
Ich schreibe Ihnen heute, obwohl ich nicht aus Rheinland-Pfalz stamme, weil mir Ihre ausführlichen Antworten gefallen haben und ich auf Ihre Antwort sehr gespannt bin.
Ich beobachte den momentanen Diskurs der Sondierungspartner über den Familiennachzug.
Die Wunschvorstellung von Integration durch Familiennachzug entspricht leider nicht der Realität. Vielmehr haben sich Parallelgesellschaften gebildet (weil Menschen natürlich so leben möchten, wie sie es gewohnt sind und es Ihrer Sozialisation und Kultur entspricht). Durch religiös-indoktrinäre Prägungen über Generationen hinweg ist eine Integration in unsere Sozialisation vielfach gar nicht gewünscht oder aus psychologischen Gründen kaum möglich. Welche alternativen Möglichkeiten zum bedingungslosen Familiennachzug könnten Sie sich vorstellen?
Vielen Dank schon mal für Ihre Antwort und ein gesundes neues Jahr wünsche ich Ihnen!
Sehr geehrter Herr G.,
Danke für das Lob für meine Antworten. Gerne beantworte ich Ihre interessante Frage aus dem hohen Norden.
Die von Ihnen erwähnten, in Deutschland bestehenden s. g. „Parallelgesellschaften“ sind keine Frage der jüngsten Zuwanderungen oder der Flüchtlinge der letzten Jahre. Abgeschottete „Parallelgesellschaften“ gibt es übrigens auch bei der „alteingesessenen“ Bevölkerung, daher finde ich den Begriff nicht ganz passend, zumindest nicht als Abgrenzung.
Zurück zur Sache: In Westdeutschland wurden in den Jahrzehnten des Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit gezielt große Zahlen von Arbeitern in südeuropäischen Ländern inkl. der Türkei angeworben, es gab dazu auch entsprechende Verträge mit den Ländern. Wir haben die Menschen, die dann kamen sehr umgangssprachlich als „Gastarbeiter“ bezeichnet. Eine interessante Wortschöpfung, in der viel drinsteckt. Es wäre mal eine spannende Aufgabe für den Deutsch- oder Sozialkundeunterricht, das Wort zu analysieren.
Wieder zur Historie: Im Laufe der Jahrzehnte der Anwerbung kamen auch immer häufiger die Familien nach oder gleich mit. Die westdeutsche Gesellschaft unternahm nicht nur KEINE Integrationsbemühungen, sie ließ durch die Fiktion einer späteren Rückkehr nach Italien, Spanien, Türkei, Griechenland etc. auch zu, dass seitens der ausländischen Arbeiter auch kein Integrationsinteresse z. B. durch Spracherwerb gezeigt wurde. Aus heutiger Sicht ein klarer Mangel auf beiden Seiten. Erst durch die hier geborenen Kinder entstand Klarheit über die neue Heimat. Allerdings waren da schon die Startchancen für die 2. Generation vielfach deutlich vermindert.
Diesen Fehler der Integrationsverweigerung oder –ignoranz von unserer, bzw. Zuwandererseite darf sich nicht wiederholen. Wer hier bleiben will, muss ein Mindestmaß an echter Integration erbringen, z. B. durch Sprachkenntnisse. Dem stehen Kultur und Religion nicht entgegen, soweit die Regeln unseres Grundgesetzes akzeptiert werden. Herausragendes Kriterium ist für mich z. B. die Akzeptanz der Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Jüngste kriminologische Studien haben gezeigt, dass junge, männliche Einzelpersonen ein erhöhtes Kriminalitätsrisiko haben – übrigens nicht nur in den Milieus der Flüchtlinge. Nicht nur die allgemeine Lebenserfahrung zeigt, dass solche Menschen durch eine Familie stabilisiert werden können. Natürlich kann man das nicht pauschalisieren, aber eben auch nicht von der Hand weisen.
Nach meiner Auffassung ist der Familiennachzug vorrangig für einen Personenkreis vorzusehen, der einen eindeutigen Aufenthaltsstatus hat und integrationswillig erscheint. Daher plädiere ich ganz klar für eine Einzelfallprüfung und damit gegen einen „bedingungslosen“ Familiennachzug.
In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Antwort geholfen zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen aus der Pfalz,
Gustav Herzog