Frage an Gustav Herzog von Carsten W. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Herzog,
Deutschland hat sich aufgrund seiner Wirtschaftskraft mittlerweile zur Führungsnation in Europa entwickelt, scheint sich der damit verbundenen Verantwortung aber nicht stellen zu wollen. Es gibt weder ein überzeugendes Gesamtkonzept, was in den nächsten Jahrzehnten wie erreicht werden soll noch werden deutsche Interessen und die dafür aufzuwendenden Mittel formuliert. Unsere europäischen Nachbarn, allen voran Frankreich und Großbritannien sind da weniger zurückhaltend und haben ihre Ziele und Interessen in gesamtstaatlichen Strategien postuliert. Welche Maßnahmen wollen Sie und Ihre Partei im Falle eines Wahlsieges ergreifen, um der deutschen Führungsrolle innerhalb Europas gerecht zu werden und welche Kriterien legen Sie und Ihre Genossen bei einer fehlenden Gesamtstrategie an, um in Zeiten knapper werdender Ressourcen den Einsatz von Steuermitteln sinnvoll zu steuern.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Windsch,
besten Dank für Ihre (relativ allgemein formulierte) Frage vom 31.08.2013. Da Sie diese Anfrage in die Rubrik „Sicherheit“ eingeordnet haben, interpretiere ich Ihre Ausführungen zur deutschen Rolle innerhalb Europas als Frage nach der Position der SPD zur Außen- und Sicherheitspolitik. Dies will ich gerne in einer Zusammenfassung der Kernanliegen tun:
Sie beklagen, dass Deutschland zwar aufgrund seiner geografischen wie wirtschaftlichen Lage bzw. Größe eine besondere Stellung innerhalb Europas einnimmt, sich jedoch nicht der „damit verbundenen Verantwortung“ stellt. Auch meine Partei und ich sind der Auffassung, dass Deutschland in den vergangenen vier Jahren sicherheits- und außenpolitisch freundlich formuliert ein sehr dürftiges Bild abgegeben hat. Neben Desastern wie z. B. dem bisherigen Verlauf der Bundeswehrreform und dem Drohnendebakel vermisse ich Deutschland als treibende diplomatische Kraft bei den zwingend notwendigen Bemühungen um friedliche Lösungen in Nahost, insbesondere aktuell in Syrien.
Deutschland muss nach dem Konzept der SPD der zivilen Krisenprävention und Konfliktregelung wieder einen Vorrang in der Außenpolitik einräumen, wobei wir die Stärke unseres Landes nicht für „Führungsrollen“ im Sinne von „Alle mir nach!“ einsetzen wollen, sondern ganz im Gegenteil das deutsche Gewicht in die Waagschale für eine stärker vergemeinschaftete Außen- und Sicherheitspolitik werfen wollen. Die von Ihnen begrüßten Haltungen Frankreichs und Großbritanniens sehe ich hingegen etwas kritischer als Sie.
Die SPD ist aus einer 150-jährigen Tradition heraus eine Partei des Friedens, nicht der bewaffneten Konflikte. Ganz zu Recht steht daher in unserem Regierungsprogramm:
„Wir vertrauen bei unserer vorausschauenden Friedenspolitik auf eine enge Integration politischer, wirtschaftlicher, entwicklungspolitischer und humanitärer Mittel. Zivile Krisenprävention und Konfliktregelung haben für uns immer eindeutig Vorrang. Militärische Mittel kommen überhaupt nur als letzte Möglichkeit in Betracht: mit einem klaren Mandat der Vereinten Nationen, einem Beschluss des Deutschen Bundestages und eingebettet in ein politisches Gesamtkonzept. Den Einfluss privater Söldnerarmeen und Sicherheitsdienste wollen wir zurückdrängen und strengen nationalen und internationalen Regeln unterwerfen.
Abrüstung, Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle sind für uns zentrale Überlebensfragen von morgen. Unser Ziel bleibt eine Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen. Wir unterstützen regionale Ansätze für Zonen frei von Massenvernichtungswaffen. Wir wollen, dass im Rahmen eines gesamteuropäischen Abrüstungsvertrages die verbliebenen taktischen Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden. Wir wollen zugleich der konventionellen Abrüstung und Rüstungskontrolle neue Impulse geben.“
Sie sehen, dass die SPD sich in Abgrenzung zur Partei Die Linke nicht aus der Verantwortung innerhalb der Staatengemeinschaft bei Auslandseinsätzen mit UN-Mandat ziehen will. Aber der Einsatz militärischer Mittel darf nur die „ultima ratio“ sein!
Zu einer guten Friedenspolitik gehört immer auch eine starke Entwicklungspolitik, die der Idee einer globalen Strukturpolitik folgt. Deswegen muss Deutschland seinen Beitrag leisten, damit die Millenniums-Entwicklungsziele bis 2015 umgesetzt werden. Auch das erklärte Ziel, 0,7 Prozent des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, wurde von der Schwarz-Gelben Bundesregierung vernachlässigt, da gibt es erheblichen Aufholbedarf: Die Bundesregierung hat im aktuellen Haushaltsentwurf die für die Entwicklungshilfe vorgesehenen Mittel um fast 14 Millionen auf das Niveau von 2011 gekürzt!
Natürlich hat die Bundeswehr für die SPD auch weiterhin als Parlamentsarmee und eingebunden in die internationalen Bündnisse eine wichtige Bedeutung. Durch meine häufigen Besuche mit vielen guten Gesprächen mit Soldaten der Bundeswehr am Standort Kusel habe ich auch persönlich ein gutes Verhältnis zu unseren Streitkräften und sehe es auch als Parlamentarier als wichtigen Teil meines Mandates an. Das ist mit ein Grund, warum ich mich auch über so manches bei der Planung und Durchführung der Bundeswehrreform ärgere. So bedaure ich auch persönlich sehr die Schließung des Bundeswehrstandortes Kusel. Unter den Bundesministern der Verteidigung Rudolf Scharping und Peter Struck gab es für Kusel Entwicklung und Perspektiven, unter den CDU/CSU-Ministern Jung, zu Guttenberg und de Maiziere wurde hingegen die Abwickelung beschlossen!
Was nach unseren Vorstellungen die künftige Rolle der Bundeswehr angeht, so sehen wir diese im Rahmen unserer Idee einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Außenpolitik langfristig eingebettet in den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Armee, deren Einsatz ebenfalls parlamentarisch legitimiert sein muss.
Dies also als relativ kurze Zusammenfassung unseres Konzeptes, über http://www.spd.de können Sie sich im Regierungsprogramm 2013-2017 über weitere Schritte hin zu einer starken europäischen Friedenspolitik informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Gustav Herzog