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Frage von Stephan T. •

Frage an Gustav Herzog von Stephan T. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Herzog,

ein beherrschendes Thema in der nächsten Legislaturperiode wird sicherlich die Schuldenkrise in der Eurozone bleiben. Ein interessanter Ansatz, der nicht nur die Symptome bekämpft (mehr Schulden machen, um die alten Schulden zu begleichen), scheint mir die Reform unseres Geldsystems zum sogenannten Vollgeldsystem. Die wesentliche Idee ist hierbei, dass das Recht zur Geldschöpfung wieder allein in die öffentliche Hand gegeben wird (so wie es beim Papiergeld im 19. Jh. auch gemacht wurde) und nicht die Privatbanken nahezu unbegrenzt Giralgeld schöpfen können. Ein positiver einmaliger Nebeneffekt dieser Reform wäre, dass bei der Umwandlung des derzeit im Umlauf befindlichen Giralgelds in Vollgeld die Staatsschulden automatisch um 50-80% reduziert werden können (Details dazu sind von Prof. Dr. Joseph Huber ausgearbeitet).

Mich würde interessieren, ob Sie sich bereits mit diesem Thema beschäftigt haben und wie die SPD generell zu diesem möglichen Lösungsansatz zur Euro-Schuldenkrise steht.

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort,

Stephan Trenn.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Trenn,

vielen Dank für Ihre Frage zum Modell eines „Vollgeldes“ im Vergleich zu dem weltweit auf dem Finanzmarkt gängigen Handel mit Giralgeld (Buchgeld).

Da ich kein Finanzpolitiker bin und die Vollgeldtheorie von Josef Huber bislang vor allem auf akademischem Terrain diskutiert wird, hatte ich vor Ihrer Frage davon noch nichts gehört. Ich habe sie also zum Anlass genommen, mich allgemein darüber zu informieren und habe auch mit Finanzpolitikern meiner Fraktion darüber gesprochen. Sie haben mir berichtet, dass das sie die Theorie wie auch andere volkswirtschaftliche Modelle selbstverständlich kennen, das Thema aber bislang weder in den politischen Gremien Europas, noch im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages auf der Tagesordnung stand. Daher kann ich Ihnen auch keine politische Positionierung meiner Partei mitteilen.

Natürlich ist die Zielsetzung des Modells gut und richtig, nämlich die Immunisierung des Finanz- und Kreditsystems vor spekulativen Blasen. Ob das Vollgeldsystem jedoch der richtige Weg dahin wäre (mal unabhängig davon, dass es schon national, geschweige denn international hochgradig schwierig wäre, von dem bisherigen Regime in ein Vollgeld-System zu wechseln!), wird (nicht nur) von unseren Experten bezweifelt. Kritisch wird u.a. die enge Verzahnung von Regierung und Zentralbank gesehen, sowie die Gefahr negativer Auswirkung/Stagnation auf die Realwirtschaft. Außerdem sieht selbst der IWF, der durchaus Sympathien für die Theorie hegt die Gefahr, dass bei einem Vollgeldsystem schon rasch neue Paare von Forderungen und Verbindlichkeiten (near-monnies) geschaffen würden, mit denen dann Handel getrieben wird.

Die SPD hat es sich zum Ziel gesetzt, auch ohne eine radikalen Systemwechsel wie beim Vollgeld das Primat der Politik auf den Finanzmärkten wiederherzustellen. In Sachen Finanztransaktionssteuer zur Beteiligung der Banken an den Kosten der Rettungsmaßnahmen sind wir Dank des konsequenten Einsatzes der SPD bereits gemeinsam mit 10 anderen europäischen Ländern auf gutem Wege und bei einer Regierungsbildung unter sozialdemokratischer Führung werden wir den Prozess der Umsetzung beschleunigen und weitere Partner in Europa dafür werben.

Wir wollen außerdem den Rückzug aus der Staatshaftung für Banken. Daher braucht Europa ein einheitliches Abwicklungsregime für seine Banken und einen bankenfinanzierten Restrukturierungsfonds.

Wir wollen zudem die unter dem Stichwort „Trennbankensystem“ geläufige Trennung des Einlage- und Kreditgeschäftes vom riskanten Investmentbanking bei Banken mit komplexer Geschäftstätigkeit. Dazu gehört für uns in weiterer Konsequenz auch ein Verbot des spekulativen Eigenhandels durch die Banken. Gerade dieser Punkt ist sehr weitreichend und Peer Steinbrück macht immer wieder im Zusammenhang mit den Ursachen der Lehmann Bros-Pleite deutlich, dass dieser Zusammenbruch bei unserem Doppelmodell Trennbanken/Verbot spekulativen Eigenhandels nicht passiert wäre.

Wir wollen als weitere Maßnahmen die Spekulation mit Agrar- und Nahrungsmitteln verbieten, Derivatgeschäfte standardisieren, um sie einer stärkeren Transparenz und Kontrollmöglichkeiten zu öffnen und dem Kontext auch den ungedeckten Kauf von Kreditderivaten verbieten.

Als letzten Aspekt, der für mich gut zum Themenkomplex Europäische Wirtschaftsregierung passt, möchte ich auf unser Ziel hinweisen, eine europäische Aufsichtsbehörde für große Banken zu errichten. nach unserem Konzept soll zunächst die EZB diese Funktion übernehmen, mittel bzw. langfristig wollen wir aber eine unabhängige Institution schaffen, über die das Europäische Parlament als demokratisch gewähltes Aufsichtsgremium wacht.

Ich bin der festen Überzeugung, dass unser hier nur kurz dargestelltes Gesamtkonzept nicht nur realistisch in der Umsetzung ist, sondern in der Summe die Ursachen der Banken-, Wirtschaft- und Währungskrise wirksam bekämpft.

Mit freundlichen Grüßen

Gustav Herzog