Frage an Gustav Herzog von Martin M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Herzog,
trotz der auch ihrerseits geäusserten Bedenken haben Sie für Internet-Sperren gestimmt. Halten Sie die Kritik (diese beziehen sich auch auf den Gesetzentwurf NACH den marginalen Korrekturen) von Experten wie dem SPD-Online-Beirat für unbegründet? Ich wäre sehr daran interessiert, zu erfahren, welche Beweggründe einen Demokraten dazu veranlassen können, einem erwiesenermassen zu grossen Teilen auf Lügen und unseriösen Behauptungen begründeten Gesetz mit extrem zweifelhaften Erfolgsaussichten, dafür aber verfassungstechnisch äussert bedenklichen Neben(?)wirkungen zuzustimmen.
Sehr geehrter Herr Memmel,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zu meinem Abstimmungsverhalten beim Zugangserschwerungsgesetz. Es ist richtig, ich habe mich kritisch geäußert und zu dieser Kritik stehe ich nach wie vor.
Die, wie Sie sie nennen, marginalen Korrekturen erachte ich nicht als marginal sondern als eine Kompromisslinie, der ich zustimmen konnte. Löschen vor Sperren und Unterstellung sowohl der Sperrliste als auch die bereits im Aufbau befindliche Sperrinfrastruktur unter die parlamentarische Kontrolle sind für mich wesentliche Änderungen, die wir durchsetzen konnten.
Insbesondere die Tatsache, dass von Seiten des BKA rein privatrechtliche Vereinbarungen mit den Internetprovidern getroffen wurden und so eine Infrastruktur außerhalb einer demokratisch legitimierten Instanz bereits aufgebaut wurde und wird, stellt für mich eine Notwendigkeit dar, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Diese dient nicht einer nachträglichen Legitimation der abgeschlossenen Verträge, wie gerne unterstellt wird, sondern einer Kontrolle der Aktivitäten durch ein unabhängiges Gremium. Wir haben einen Automatismus eingerichtet, der das Gesetz zum 31.12.2013 außer Kraft setzt, um zu gewährleisten, dass das zukünftige Parlament hier evaluieren und möglicherweise nachjustieren muss, bevor es erneut darüber abstimmt.
Wie Sie sich denken können ist mir die Entscheidung nicht leicht gefallen, auch wenn am Ende ein einfaches "Ja" stehen geblieben ist. Teile meiner Bedenken und Beweggründe aber auch der Bedingungen, die an meine Stimmentscheidung geknüpft sind, können meiner persönlichen Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages entnommen werden, die dem Plenarprotokoll beigefügt wurde und nun auch hier zu finden ist.
Mit freundlichen Grüßen
Gustav Herzog