Mein Kind ist 3 Jahre alt und hat gute Chancen, das Jahr 2100 zu erleben. Was soll ich ihm sagen, wenn es mich irgendwann fragt, welche Zukunft ihm bevorsteht?
Das Bildungssystem ist marode, die Infrastruktur kaputt, die Klimawende stockt. Ungleichheit und sozialen Spannungen wachsen. Wissenschaftler warnen, vor dem Überschreiten planetarer Grenzen. Der Golfstrom schwächelt. Die Biodiversität schwindet, Ökosysteme kollabieren. Zwei Milliarden Menschen werden in den nächsten Jahrzehnten aus dann unbewohnbaren Regionen fliehen. Diese Bedrohungslage wird weder angemessen kommuniziert, noch werden hinreichende Maßnahmen dagegen ergriffen. Utopien, die uns beflügeln könnten, uns auf den Weg in eine bessere Zukunft zu machen, fehlen. Statt dessen werden Fakten ignoriert, „Klimakleber“ kriminalisiert, Flüchtlinge problematisiert, das Verbrenneraus in Frage gestellt, klimaschädliche Subventionen nicht abgebaut, das Klimageld auf den Sanktnimmerleinstag verschoben, die Verkehrswende verschleppt, Atomenergie als Rettungstechnologie angepriesen, Abstiegsängste geschürt und allerlei sonstige Ablenkungsgefechte medial wirksam in Szene gesetzt.
Sehr geehrter Herr Dr. P.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich kann die Sorgen, die Sie mit Blick auf die Zukunft ihres Kindes formulieren, sehr gut nachvollziehen und Sie sprechen berechtigterweise einige der großen Zukunftsthemen an, die wir als Gesellschaft dringend angehen müssen.
Als klimapolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion kann ich Ihnen versichern, dass den Abgeordneten der rot-grünen Regierungskoalition auf Landesebene der Kampf gegen den Klimawandel und damit einhergehend das Vorantreiben der Energiewende sowie der klimaneutralen Transformation unserer niedersächsischen Wirtschaft zentrale Anliegen sind. Dies haben wir mit einer Novelle des Niedersächsischen Klimagesetztes (KlimaG) - als erste große Gesetzesinitiative in dieser Legislaturperiode im vergangenen Jahr - unterstrichen, mit der wir nicht nur die niedersächsischen Klimaziele nachgeschärft, sondern auch zahlreiche Mechanismen auf den Weg gebracht haben, um diese zu erreichen (weitere Informationen zum KlimaG erhalten Sie auf meiner Webseite https://www.guido-pott.de/2023/12/11/ambitioniertes-klimagesetz-beschlossen-niedersachsen-bis-2040-klimaneutral/).
Darüber hinaus ist es - im Zusammenwirken mit dem Bund - gelungen, wieder deutlich mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien in Niedersachsen aufzunehmen. Mit 12,55 Gigawatt installierter Leistung produziert Niedersachsen so viel Energie aus Wind wie kein anderes Bundesland. Damit trägt Niedersachsen 20,6 % zu der bundesweit installierten Leistung bei. Auch bei neu installierten Windrädern belegte Niedersachsen in 2023 mit 131 Anlagen und 638 Megawatt den zweiten Platz im bundesweiten Vergleich. Das ist eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um 32 %. An diese positive Entwicklung wollen wir anknüpfen.
Mit dem derzeit im parlamentarischen Verfahren befindlichen Gesetz zur Steigerung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land und von Freiflächen-Photovoltaikanlagen wirken wir gemeinsam mit den kommunalen Planungsträgern darauf hin, schnellstmöglich 2,2 Prozent der Landesfläche für Windenergie auszuweisen. Auch beim Ausbau der entsprechenden Netzinfrastruktur machen wir endlich die dringend notwendigen Fortschritte. So konnte in der vergangenen Woche das Raumordnungsverfahren für die Offshore-Netzanbindungsprojekte, BalWin1 und BalWin2 im Raum Osnabrück abgeschlossen werden. Darüber hinaus durfte ich in der vergangenen Woche einen Entschließungsantrag in den Landtag einbringen, der sich insbesondere mit der Minderung von klimaschädlichen Emissionen aus kohlenstoffreichen Böden, wie beispielsweise trockengelegten Mooren beschäftigt.
Ich möchte mit dieser Aufzählung nicht suggerieren, dass in Sachen Klimaschutz alles in bester Ordnung wäre. Ihr Hinweis auf die Verzögerung beim Klimageld, die eher mäßigen Fortschritten im Verkehrssektor und den erheblichen Vertrauensverlust gegenüber der Bundespolitik im Zuge der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes sind ja nicht von der Hand zu weisen. Andererseits nehme ich auch wahr, dass an vielen Stellen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein echtes Umdenken stattgefunden hat. Daher bin ich durchaus optimistisch, dass wir mit konsequenten und ambitionierten politischen Weichenstellungen sowohl gesellschaftliche Akzeptanz als auch die Klimaziele erreichen können.
Auch die weiteren von Ihnen angesprochenen Thema stehen auf unserer landespolitischen Agenda. Insbesondere mit Blick auf den Mangel an pädagogischen Fachkräften an unseren Schulen und der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung wird es neben der bereits beschlossenen Umsetzung von E/A13 für alle Lehrkräfte zum August dieses Jahres noch weitere organisatorische und finanzielle Anstrengungen des Landes Niedersachsen benötigen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die multiplen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können, wenn es in der politischen und gesellschaftlichen Debatte gelingt, nicht jedes Thema als Gelegenheit zur persönlichen Profilierung und Zuspitzung zu nutzen, sondern gemeinsam Antworten auf die im Detail sehr komplexen Fragestellungen zu finden.
Herzliche Grüße aus Wallenhorst!
Guido Pott