Frage an Guido Klamt von Werner K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie ist Ihre Position zur vollständigen Trennung von Staat und Religion?
Mehr als 40% der Bevölkerung sind mittlerweile konfessionsfrei – bei den Jugendlichen sind es mehr als 50%.
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass christliche Kirchen eine Rolle im Staat spielen müssen. Die menschliche Ethik hat sich meist gegen den Widerstand der Kirchen weiterentwickelt (Bsp. Gleichberechtigung der Frau, u.v.a).
In Deutschland ist die Trennung von Staat und Religion unvollständig und gleicht mehr einer intransparenten gegenseitigen Förderung als einer Trennung wie sie z.B. in Frankreich (Laizismus) in der Verfassung verankert und nach der französischen Revolution vollzogen wurde. Dies wird an vielen Beispielen deutlich.
Der konfessionsfreie Bevölkerungsanteil ist strikt gegen die anhaltende direkte und indirekte Finanzierung der Kirchen (19 Milliarden im Jahr 2009) durch den „Staat“ (durch alle Steuerzahler, auch konfessionsfreie).
Statt die staatliche Finanzierung auszuweiten und möglicherweise auch islamischen Religionsunterricht zu finanzieren, sollte der gesamte Religionsunterricht an den Schulen durch ein integratives Pflichtfach zur Wertevermittlung (wie in Berlin „Ethik“ und in Brandenburg „LER“) ersetzt werden.
Deshalb ist die Einschränkung der staatlichen Privilegien der christlichen Kirchen angebracht, statt der Ausweitung auf Muslime und islamische Einrichtungen. Wie stehen Sie dazu?
Die Gehälter von Bischöfen usw. werden vom Staat aus dem allg. Steueraufkommen, nicht etwa aus der Kirchensteuer bezahlt, also auch von Nichtkirchenmitgliedern und Anders-gläubigen gemäß einer 200 Jahre alten Vereinbarung.
Die Bürger haben in dieser Zeit ihr Vermögen mehrfach verloren. Nur die Kirche, die ihr Vermögen oft auf dubiose Weise von den Bürgern erlangt hat, scheint unangefochten einen Rechtsanspruch zu erhalten.
Konfessionsfreie möchten die Staatsleistungen an die beiden christlichen Kirchen beenden und – wo unvermeidlich – ablösen! Wie stehen Sie dazu? mfg Werner Koch
Sehr geehrter Herr Koch,
Politisch sollten Staat und Kirche klar getrennt sein. Es gibt meines Erachtens keine konkreten Verflechtungen zwischen Kirche und Staat, aber der meinungspolitische Einfluss spielt insbesondere in noch stärker religiös geprägten Regionen und Ländern (Bayern und auch BW) durchaus eine Rolle. In Bayern zeigt sich dies am Kruzifix-Streit, ob also in allen Klassenzimmern ein Kreuz hängen soll/darf. Schulen sind beispielsweise ein politisch neutraler Raum, so dass ich hier durchaus der Meinung bin, keine religiösen Symbole auszuhängen. Anders wäre dies bei Schulen in kirchlicher Trägerschaft.
Die Vermischung von Kirche und Staat bei den Finanzen ist sicherlich ein Problem. Für Gehälter ist eindeutig die Kirche zuständig und sollte diese aus der Kirchensteuer bezahlen. Allerdings muss man auch anerkennen, dass die Kirchen in Deutschland viele soziale Aufgaben wahrnehmen, sei es die Trägerschaft von Kindergärten oder die soziale Betreuung. Dies sind Aufgaben, die, wenn nicht über Kirchensteuern, dann doch über die Allgemeinheit, also über Steuern, zu finanzieren sind. Demnach würde eine Abschaffung der Kirchensteuer (oder Reduzierung) sicherlich keine große finanzielle Entlastung für die in der Kirche befindlichen Mitbürger bringen. Aber ich sehe durchaus, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, die eine erzwungene Kirchenabgabe haben. Deshalb könnte ich mich durchaus mit der Abschaffung der Kirchensteuer anfreunden und würde die Finanzierung von Kindergärten und anderen sozialen Diensten über die allgemeine Steuer abdecken.
Die Abschaffung des Religionsunterrichts und die Einführung von Ethik sehe ich aber kritisch. Deutschland ist ein Land mit christlichen Grundwerten und dies soll auch so bleiben. Deshalb soll auch der katholische und evangelische Religionsunterricht seinen Platz an der Schule haben, parallel dazu Ethik für konfessionslose. Es ist aber unstrittig, dass im Religionsunterricht mehr als bisher noch auch auf die anderen Religionen eingegangen werden muss, so dass kein Platz für Vorurteile gegenüber Andersgläubigen entsteht. Kinder sehen ja in unterschiedlichen Religionen noch nichts trennendes sondern sind eher neugierig. Einen islamischen Religionsunterricht an Schulen könnte ich mir nur dort vorstellen, wo entsprechend viele islamische Schüler vorhanden sind, dann aber auf Deutsch und von hier ausgebildeten Lehrern.
Mit freundlichen Grüßen
Guido Klamt