Frage an Günther Beckstein von Erwin H. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Beckstein,
die Union hat die Privatisierung der Deutschen Bahn beschlossen - zunächst als "Teil"privatisierung von 24,9%, aber jetzt werden schon offen 49,9% angepeilt, auch ein Totalverkauf scheint möglich. Mir ist nicht begreiflich, dass ein solches Projekt nach den schlechten bis katastrophalen Erfahrungen mit Bahnprivatisierungen, insbesondere in Großbritannien, durchgezogen wird, obwohl von Umweltschützern und Fahrgastverbänden vor einer ähnlichen Entwicklung in Deutschland gewarnt worden ist:
* der Staat verliert Einfluss auf diesen wichtigen Teil der öffentlichen Infrastruktur;
* das ist schädlich für die Umwelt - nie war die Bahn ökologisch notwendiger als heute;
* die Löhne der Beschäftigten werden gekürzt (trotz hoher Gewinne);
* Investitionen und Sicherheitsstandards werden zurückgefahren, Strecken stillgelegt;
* die Fahrpreise werden drastisch erhöht (trotz hoher Gewinne).
Ihr CDU-Kollege im Bundestag Norbert Königshofen hat in einer wunderbaren Rede vor dem Bundestag, die leider aus dem Internet verschwunden ist, alle diese und weitere Kritikpunkte ausführlich dargestellt. Selbst in der CDU/CSU-Fraktion gab es also Widerstand gegen die Regierungspläne zur Privatisierung.
Genau das wird heute alles sichtbar, schon Monate vor dem Börsengang (Beinaheunglück eines ICE 3 wegen gebrochener Achsen; drastische Fahrpreiserhöhungen; Mitarbeiter werden in Niedriglohn-GmbHs ausgelagert). Ganz besonders schlimm sind die - begonnenen und absehbaren - Auswirkungen dieses Hazardspiels im größten Flächenland Bayern, wo die Bahn ein unverzichtbares Verkehrsmittel für preiswerte Mobilität ist. Die Deutsche Bahn hätte das für Investitionen notwendige Geld zu wesentlich besseren Konditionen durch eine niedrig verzinste Bahn-Anleihe aufnehmen können.
Bitte erklären Sie mir, warum die CSU diesen volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Widersinn mit betrieben hat.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Huber (nicht verwandt)
Sehr geehrter Herr Huber,
ich danke Ihnen für ihre Anfrage. Durch die Teilprivatisierung erhält die Deutsche Bahn die finanziellen Mittel, die sie braucht, um international wettbewerbsfähig zu sein. Dies ist notwendig, weil der Kunde es verlangt. Unsere Wirtschaft agiert weltweit. Der Kunde erwartet von der Bahn ein ganzheitliches Konzept, wie er zum Beispiel ein Produkt aus Bayern nach Asien bringen kann, ohne dass Verhandlungen mit mehreren Vertragspartnern erforderlich sind. Dafür müssen wir die Bahn fit machen, wofür die Teilprivatisierung sorgt. Bayerns Unternehmen erreichten 2007 den 14. Exportrekord in Folge. Eine wettbewerbsfähige Bahn liegt daher in unserem vitalen Interesse.
Ich begrüße deshalb, dass uns durch die Teilprivatisierung neue Spielräume für Innovationen und Investitionen in das System Schiene eröffnet werden. Durch die von uns durchgesetzte Trennung von Infrastruktur und Zugverkehr schaffen wir auch die Voraussetzungen für mehr Wettbewerb auf der Schiene.
Mit dem beschlossenen Holdingmodell wurde erreicht, dass das Schienennetz zu 100 Prozent beim Bund bleibt und nur der Betrieb teilprivatisiert wird. Der Bund kann somit seine grundgesetzliche Verpflichtung weiterhin gewährleisten, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, bei Ausbau und Erhalt der Schieneninfrastruktur wie auch der Verkehrsangebote auf dem Schienennetz Rechnung getragen wird. Klar ist: Die steuerfinanzierte Schieneninfrastruktur ist als Renditeobjekt des Kapitalmarktes ungeeignet. Mit der jetzt beschlossenen Teilprivatisierung werden wir dieser Überzeugung gerecht: sowohl das Schienennetz als auch Bahnhöfe und Energieversorgung bleiben zu 100 Prozent beim Bund. Wir wollen, dass in Deutschland und Bayern ein attraktiver und zukunftsorientierter Bahnverkehr stattfindet.
Wie bereits bei der Bahnreform im Jahre 1994 vorgesehen, wird aber privates Kapital an den Verkehrsgesellschaften beteiligt. 24,9 Prozent dieser Sparte werden an private Investoren veräußert. Durch mehr Effizienz können mittelfristig die Bahnstrecken erneuert und ausgebaut sowie Bahnhöfe saniert werden - zum Wohle der Kunden. Bayern setzt sich massiv dafür ein, die Erlöse aus der Teilprivatisierung in die einheimische Infrastruktur zu investieren.
Wirtschaftliche Entwicklung ist eng verbunden mit Mobilität. Deshalb werden wir das dichte Netz von Schienen und Straßen weiter ausbauen. Wir setzen uns dafür ein, Fahrtzeiten im Schienenpersonennahverkehr zu verringern und die S-Bahn-Netze in München und Nürnberg zu stärken. Verkehrspolitische Kernaufgabe des Freistaats ist der Schienenpersonennahverkehr. Mit gut 105 Mio. Zugkilometern ist Bayern der größte Besteller von Nahverkehrsleistungen in Deutschland. Angebotsreduzierungen sind in Bayern kein Thema ? trotz Kürzung der Regionalisierungsmittel des Bundes um ca. 750 Mio. ? in zehn Jahren. Bayern setzt konsequent auf Wettbewerb und Ausschreibung und erzielt so enorme Kosteneinsparungen. Auch bei der Infrastruktur für den Schienenfernverkehr drängt Bayern beim Bund ständig auf weitere Fortschritte. Wichtige Ziele sind die Elektrifizierung und der Neigetechnikausbau der Strecke München-Lindau sowie der Ausbau der Strecke München-Mühldorf-Freilassing.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günther Beckstein, MdL
Bayerischer Ministerpräsident