Frage an Günter Krings von eckart m. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Krings,
Meine persönliche Hochachtung für Ihre Zielstrebigkeit.
Sie sind für den Gladbacher Wahlslogan das beste Aushängeschild.
Eine Frage an den, ich vermute Staatsrechtler, zur Unschuldsvermutung in der augenblicklichen Terrorismusdis-
kussion: inwieweit dürfen 48 Std überschritten werden ohne
Richter, und werden wir französische Verhältnisse mit "Schnell-
richtern" oder ähnlich dem Ernstfall vergleichbar Truppendienstrichtern bekommen.
Bitte entschärfen Sie meine Befürchtungen der 70er, als studierter Jurist in eine Mündung sehen zu müssen.
mit vielen Grüßen
weiter so bürgernah wie bisher
Ihr E.Massmann
Das Thema „Innere Sicherheit“ hat zuletzt die Gemüter erhitzt. Auslöser ist ein Interview des Bundesinnenministers Schäuble im „Stern“ gewesen. Danach sind einige Aussagen verkürzt und auch missverständlich wiedergegeben worden.
Festzustellen ist: Wir wollen keinen Polizeistaat – wir wollen keinen Überwachungsstaat. Wir dürfen vor allen Dingen Freiheit und Sicherheit nicht gegeneinander ausspielen. Es ist falsch so zu tun, als würden die Menschen besonders viel Freiheit genießen, wenn die Sicherheit besonders gering wäre. Nur durch einen glücklichen Zufall sind die zwei Kofferbomben in den Regionalzügen im vergangenen Jahr nicht explodiert. Dieser Vorfall hat uns aber gezeigt, dass auch Deutschland nicht vor terroristischen Anschlägen in Sicherheit ist.
Wir müssen daher zum Schutze aller Menschen in unserem Lande angesichts der neuen Bedrohungslage so viel Sicherheit wie nötig und so viel Freiheit wie möglich schaffen. Maß und Mittel bei der Bekämpfung von Terror und Kriminalität müssen allerdings gewahrt bleiben – dafür stehen die CDU und auch Innenminister Schäuble.
Lassen Sie mich zunächst auf das Thema „Unschuldsvermutung“ eingehen: Bundesinnenminister Schäuble hat nicht vorgeschlagen, beim Kampf gegen den Terror die Unschuldsvermutung abzuschaffen. Er hat lediglich darauf hingewiesen, dass man die Unschuldsvermutung des Strafrechts und des Strafprozessrechts nicht verwechseln darf mit den Notwendigkeiten der Prävention und der Gefahrenabwehr. Unschuldsvermutung bedeutet: In einem demokratischen Rechtsstaat darf niemand als Täter bezeichnet und behandelt werden, bevor er nicht vom Gericht in einem ordentlichen Verfahren rechtskräftig verurteilt worden ist. Das war, ist und bleibt so. Unschuldsvermutung kann aber nicht bedeuten, dass die Polizei tatenlos zusieht, wenn Verbrechen verabredet oder begangen werden und dass sie nicht zum Zwecke der Gefahrenabwehr eingreift, weil die Verdächtigen noch nicht zugeschlagen haben. Gefahrenabwehr und Strafrecht verfolgen also ganz unterschiedliche Ziele. Die Gefahrenabwehr führt jedenfalls auch nicht zu einer Verurteilung oder einer Haftstrafe des Betroffenen. Hier ist es bei der Debatte um die Schäuble-Äußerungen leider zu einigen juristischen Missverständnissen gekommen.
Auch beim Thema „Online-Durchsuchung“ ist es zu Missverständnissen gekommen. Es ist falsch den Eindruck zu erwecken, der Innenminister plane, jede Festplatte der Bürger zu durchsuchen. Es geht hier um die Sicherung so genannter flüchtiger Beweise. Seit Jahrzehnten ist es geltende Rechtslage, dass Computer oder Festplatten beschlagnahmt und die dort gespeicherten Texte und Dateien zum Zwecke der Beweissicherung sichtbar gemacht werden. Beweise in Papierform sind schwerer endgültig zu beseitigen – beim Computer reichen dazu oft wenige Mausklicke. Es gibt Festplatten, von denen die Ermittler nicht wissen, wo sie stehen und beschlagnahmt werden können. Wir müssen den Ermittlern aber auch im Online-Zeitalter die Möglichkeit geben, wirksam zu handeln. Die technische Entwicklung geht voran – hier dürfen sich die Ermittlungsbehörden nicht abhängen lassen. Auch hier gilt natürlich das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wonach jede Maßnahme notwendig und geeignet sein sowie sich an der Verfassung orientieren muss. Für Online-Durchsuchungen müssen schwerwiegende und wichtige Grenzen eingebaut werden – ähnlich wie es sie bei der Telefonüberwachung schon gibt und die auch dort funktionieren. Mit 99prozentiger Wahrscheinlichkeit kann ein rechtschaffener und unbescholtener Bürger davon ausgehen, dass er niemals Gegenstand einer Telekommunikations- oder Onlineüberwachung wird. Im Jahr 2005 hat es zum Beispiel 5 Millionen Ermittlungsverfahren gegeben – nur 5000 Mal wurde dabei das Instrument der Telekommunikationsüberwachung angewendet.
Zum Thema „Passbilder“ finde ich ebenfalls die Aufregung etwas übertrieben: Schon immer war es gängige Praxis, dass bei der Beantragung des Ausweises zwei Bilder abgegeben werden mussten. Eins wurde in der Behörde aufbewahrt, um im Zweifelsfall für eine eindeutige Identifizierung sorgen zu können. Nichts anderes ist jetzt in der digitalen Version gefordert. Die meisten Bürger hätten sicherlich kein Verständnis dafür, wenn in echten Ernst- und Ausnahmefällen, hierauf nicht zurückgegriffen werden könnte. Möglich ist zum Beispiel ein Abgleich in einem Ermittlungsverfahren zu einem Kapitalverbrechen mit der dezentralen Datei. Die Bürger hätten sicherlich ebenso kein Verständnis, wenn der Staat sich hier bewusst dümmer stellt, als er eigentlich ist.
Wir setzen aber auch nicht alles um, was technisch machbar ist: So kann ich aktuell berichten, dass eine zentrale Speicherung der Fingerabdrücke in den neuen Personalausweisen, nicht die Zustimmung der Großen Koalition gefunden hat.
Aber an den oben genannten Beispielen erkennen Sie, dass wir uns einfach auf neue technische Möglichkeiten einstellen müssen. Niemand würde der Polizei zumuten, einen Verbrecher mit einem Kleinwagen zu verfolgen. Ähnliches gilt auch im Bereich der Technik.
Wenn der Staat angesichts der Bedrohungslage, die wir heute leider auch in Deutschland haben, keine Möglichkeit geben würde, auf verfassungsrechtlich einwandfreier Grundlage die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, wäre die Freiheitsordnung unseres Grundgesetzes gefährdet.
Dr. Günter Krings