Da lacht er, zwischen Haarkranz und Vollbart, dunkel gerandete Brille
Günter Herbig
DIE LINKE
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Frage von Matthias J. •

Frage an Günter Herbig von Matthias J. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Herbig,

wir hatten kürzlich im Kollegenkreis eine Diskussion um den Mindestlohn. Es geht dabei nicht darum, dass wir etwas dagegen hätten, wenn die Schre zwischen Arm und Riech kleiner würde und sich vor allem auch Geringverdiener mehr leisten könnten. Wir haben jedoch weiter gedacht und dabei einen Effekt erkannt, der uns beunruhigt. Bitte lassen Sie sich auf unser Gedankenexperiment ein:

1. Eine Umverteilung von oben nach unten bedeutet, dass die breite Masse ein größeres Budget hat (was zunächst erfreulich ist).

2. Das Angebot an Wohnraum wird dadurch zunächst aber nicht größer. Weiterhin wird (abgesehen von Familien mit kleinen Kindern) derjenige den Zuschlag erhalten, der das meiste zu zahlen bereit ist. Wenn alle mehr Geld haben, führt dies lediglich dazu, dass Vermieter höhere Mieten und Grundstücks- und Imobilieneigentümer höhere Verkaufserlöse durchsetzen können (Das gleiche gilt für alle Märkte, für die es ein begrenztes Angebot gibt, dies jetzt nur als leicht verständliches Beispiel).

3. Insgesamt steigt das Wohnkosten-Niveau. Das gilt auch für die Mieten für Ladenbesitzer.

4. Der Ladenbesitzer muss höhere Preise verlangen. Das ist kein Problem, denn die Leute haben ja mehr Geld.

5. Nach einem kurzen Konsum-Rausch kann sich niemand mehr leisten als vorher, das Geld wurde entwertet.

6. Die Kleinsparer sind die gelackmeierten. Die, die vorher schon ein überdurchschnittlich großes Budget hatten, trifft es am wenigsten, im Gegenteil, viele Vermögende werden sich an den Preissteigerungen eine goldene Nase verdienten.

Das Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen. Nicht von ungefähr ist das Leben an Standorten von Daimler, Bosch und anderen Unternehmen, die überdurchschnittliche Löhne zahlen, deutlich teurer als anderswo.

Hat Ihre Partei einen Ansatz, dem beschriebenen Effekt entgegenzuwirken?

Da lacht er, zwischen Haarkranz und Vollbart, dunkel gerandete Brille
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Junk,

herzlichen Dank für
Ihre detaillierte Fragestellung.

Ihr "Gedankenexperiment"
macht tatsächlich deutlich, dass es natürlich mit Blick auf die Wohnungsproblematik nicht ausreicht, nur einfach flächendeckendeckend Mindestlöhne einzuführen, obwohl unser Konzept vorsieht, diese Mindestlöhne permanent an die Teuerungsrate anzupassen und im Laufe der kommenden vier Jahre auf mindestens 12 Euro zu erhöhen.

Das reicht aber nicht aus. Unser Programm sieht eine Vielzahl von Stellschrauben vor, um das, was wir "Umverteilen" nennen, auch nachhaltig zu verankern. Der Mindestlohn (mit Sozialversicherungspflicht) ist ja nur ein kleines Stück Absicherung nach unten, um den aktuellen Unmenschlichkeiten im Billiglohnsektor zu begegnen. Löhne müsen insgesamt wieder steigen, Hartz IV abgeschafft, die Rentenkürzungen rückabgewickelt werden usw.! Der Staat muss wieder mehr Steuern einnehmen, um die öffentliche Daseinsvorsorge gegen alle privaten Begehrlichkeiten abzusichern bzw. wieder in die eigenen Hände zurück zu holen.

Das, was Sie beschreiben, ist die gewöhnliche Inflationsspirale, angefeuert durch Spkulation und hemmungsloses Profitstreben, dem man nur durch staatliche Regularien und spezielle Maßnahmen begegnen kann. Diese Inflation hat auch nicht halt gemacht, als die Agenda 2010 und Hartz IV massenhaft Armut erzeugte - es ist nichts billiger geworden. Auch die Lawine an Armutsrentnern, die auf uns zu kommt, wird das Rad nicht zurück drehen. Es geht also um Systemfragen.

Es braucht einfach mehr staatlich geförderten Wohnraum mit Sozialbindung und Gesetze gegen ungerechtfertigte Mieterhöhung und Spekulation. Eine "Mietpreisbremse" zum Beispiel, wie sie von SPD oder B90-Grünen vorgeschlagen wird, halte ich persönlich für fatal, weil sie zu ungerechtfertigten Mietpreiserhöhungen nach jedem Mieterwechsel geradezu einlädt. ("Du darfst 15% erhöhen? Soll das sozial sein?) Übertragen Sie mal das Beispiel von älter werdenden Wohnungen auf älter werdende Autos. Steigende Verkaufspreise?

Also:

- Wohnen muss als Menschenrecht im Grundgesetz verankert werden
- Wir wollen den Neubau von mindestens 150 Tausend Wohnungen jährlich mit unbefristeter Sozialbindung, bedarfsgerecht, barrierefrei, ökologisch und energieeffizient; dazu fordern wir spezielle Maßnahmen zur Wohnungsbauförderung, Bund-Länder-Fonds usw.
- Wir wollen flächendeckend Mietspiegel, die sich an allen Bestandsmieten orientieren - mit dem Recht der Kommunen, Höchstmieten festzulegen
- Die Nettokaltmiete in bestehenden Mietverhältnissen darf sich ohne besonderen maßgebliche Wohnwertverbesserung nur im Rahmen des Inflationsausgleiches bewegen, maximal bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Nur Neuvermietung reicht als Erhöhungsgrund nicht aus.
- Mieterhöhungen wegen Renovierung / energetischer Sanierung dürfen sich nur in dem Rahmen bewegen, der der Einsparung für die Mieter entspricht.

Fazit: Alle diese flankierenden Maßnahmen sollten Ihren Befürchtungen entgegenwirken.

Unsere Positionen zum Thema Wohnen finden Sie in unserem Wahlprogramm (mit Stichwortverzeichnis) und unter folgendem Link: http://www.linksfraktion.de/themen/ . Hier bitte rechts oben unter "S-Z" auf Wohnen und Wohnraumförderung gehen. Die Themen A-Z machen Breite und Tiefe unserer politischen Programmatik deutlich und sind ideal zum Nachschlagen, auch über die Wahl hinaus.

Günter Herbig